Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert
bis hin zur Leibeigenschaft, rund drei Viertel von 12 oder 13 Millionen Menschen auf dem Land lebten – zählte man im 15. Jahrhundert vierzig Erhebungen mit stetig sich verdichtender Tendenz und einer nicht selten schichten- wie ständeübergreifenden Kooperation. Und aus diesen Voraufständen entwickelte sich dann eine soziale Massenbewegung, die aber, letztlich ihr Verderben, nicht in sich zusammenhängend, nicht geschlossen, die regional zersplittert war; wobei nicht die unterste, die am meisten verelendete Klasse der Bauern den Ton angab, sondern der Stand mittlerer und großer Bauern, der gegenüber einer verstärkten herrschaftlichen Abhängigkeit sein Selbstverwaltungsrecht erstrebte.
Wenn auch ein ganzes Knäuel von Konflikten verschiedenster Art zum deutschen Bauernkrieg (1524–1526) führte, ist doch bemerkenswert, daß, zumindest gebietsweise, der besondere Haß der Bedrängten, der oft um ihre nackte Existenz Ringenden, dem Klerus gilt, dem größten Grundeigentümer. War ja »die Abneigung des Volkes gegen die Geistlichen« geradezu eine »Ursache des Bauernkrieges« (Gerdes), und dieser auch eine »religiöse Volkserhebung«, eine »Glaubensrevolte« (Oberman).
Desiderius Erasmus von Rotterdam, bis zum Auftreten Luthers vielleicht der führende Gelehrte seiner Zeit, nennt denn auch den Bauernkrieg schlicht »Pfaffenkrieg« und »Klosterkrieg«.
1460 empören sich die Kemptener Bauern gegen ihren Abt. 1476 demonstrieren 16000 Bauern bei Nacht mit Fackeln vor der Festung Marienberg ihres Würzburger Oberhirten, der mit Kanonen auf sie feuern läßt. »Und wurden der Völker etlich viel erschlagen und erstochen«, heißt es in der Würzburger Ratschronik, »auch gefangen uf 104 Personen ungnadelichen gesinnt (= ohne Gnade) uf Unserfrauenberg.«
1483 bekämpft die Bundschuhbewegung in Schlettstadt besonders die geistlichen Gerichte, 1490 die Augsburger Bauernschaft ihren Bischof Friedrich von Hohenzollern. 1493 heißt die Parole des Elsässer Bundschuhs, bei dem, wie auch sonst nicht selten, bäuerliche und bürgerliche Widerständler sich zusammenfanden, vor allem Abschaffung des Straßburger Bischofsgerichts und des kaiserlichen Hofgerichts zu Rottweil verlangend: »Loset, was ist das für ein Wesen? Wir mögen nicht vor Pfaffen und Adel genesen.«
Stark ausgeprägt war der Pfaffenhass auch 1502 beim Bruchsaler Bundschuh unter dem rastlos agierenden Joss Fritz, einem Leibeigenen des Speyrer Bischofs, eines notorischen Leuteschinders, ja der dortige Bundschuh war geradezu aus diesem Haß hervorgegangen. Etwa 100 Rebellen wurden verhaftet, zehn geköpft und gevierteilt. – Der Bundschuh, die übliche Fußbekleidung der Bauern, wurde das Symbol ihrer Freiheitsbewegung. 2
Auch als der Bundschuh 1513 auf den Breisgau übergreift, im nächsten Jahr unter Peter Gais der »Arme Konrad« Teile Württembergs erschüttert, äußern sich starke antiklerikale Tendenzen, wollen die Bauern – dreizehn werden hingerichtet – sich nicht mehr vor geistliche Richter gestellt, vielmehr das Kirchen-, das Klostergut gerecht verteilt sehen, wollen sie die »göttliche Gerechtigkeit« übrigens nicht nur für die Bauern, sondern, wie dann in den zwölf Artikeln stand, »für sich und die andren Christen«.
Die Memminger »Zwölf Artikel der Bauernschaft in Schwaben« von Ende Februar 1525, die noch ins Elsaß und nach Thüringen wirkende, in mindestens 25 Drucken mit ca. 25000 Exemplaren verbreitete wichtigste Programmschrift der Aufständischen, die ausdrücklich ihre Bereitschaft gegenüber der Obrigkeit »in allen gebührenden und christlichen Sachen« betonte, richtet sich gleichwohl weit mehr gegen Bischöfe und Prälaten als gegen die weltlichen Grundherren, war doch auch sie »vor allem eine religiöse Revolte gegen das kirchliche Establishment« (Oberman).
Bezeichnenderweise dehnen zu Beginn der Neuzeit, als man die Leibeigenschaft da und dort gemildert, ganz aufgehoben, anderwärts aber verschärft oder erst eingeführt hat, auch Klöster die (bei Rechtshändeln entmündingende) das Territorialregiment begünstigende Leibherrschaft, wie sie auch hieß, aus, so St. Georgen, Weingarten, Einsiedeln, Salem, Sankt Peter im Schwarzwald oder Kempten im Allgäu, die größte Grundherr in des Gebietes. Gerade diese Abtei, in deren Urkunden stand: »Die Leibeigenschaft ist nit wider göttlich oder menschlich gesatz«, suchte mit einem von ihr gefälschten Stiftungsbrief Karls I. ihre Bauern in die Leibeigenschaft zu
Weitere Kostenlose Bücher