Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert
Gewalt dahin strecket, daß er Macht haben will, Gesetze und Artikel des Glaubens zu stellen ... Er brüllet als besessen und voller Teufel ... Denn der
Teufel,
so das Papstthum gestiftet, der redet und wirket alles durch den Papst und römischen Stuel.«
Man meint, es gäbe da schwerlich eine Steigerung, und doch überhäuft er am Ende seines Lebens in dem Pasquill »Wider das Papsttum zu Rom, vom Teuffel gestiftet« den »Stellvertreter Christi« echt christ-evangelisch mit Schmähworten über Schmähworten als »Das Haupt der verfluchten Kirchen allerärgesten Buben auf Erden, ein Statthalter des Teuffels, ein Feind Gottes, ein Widersacher Christi und Verstörer der Kirchen Christi, ein Lehrer aller Lügen, Gotteslästerung und Abgöttereien, ein Erzkirchendieb und Kirchenräuber ... ein Mörder der Könige und Hetzer zu allerlei Blutvergießen; ein Hurnwirth über alle Hurnwirthe, und aller Unzucht ... ein Widerchrist, ein Mensch der Sünden und Kind des Verderbens, ein rechter Bärwolf«, und wünscht wieder mit aller evangelischen Wärme, man sollte »den Papst, Cardinal, und was seiner Abgötterei und päpstlicher Heiligkeit Gesindlin ist, nehmen und ihnen ... die Zungen hinten zum Hals heraus reißen und an den Galgen annageln ...« 19
Wir werden das nun anhebende und immer mehr ausufernde Gezänk der Alt- und Neugläubigen, die Flut überbordender Streitschriften, Sendbriefe, Prophetien, Utopien, Pamphlete, Flugblätter allenfalls gelegentlich streifen, nicht aber das beginnende Zeitalter der Reformation – eine 1697 durch Veit Ludwig von Seckendorff geprägte, durch Rankes »Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation« (1839/1843) bekannter gewordene Charakterisierung-auch nur entfernt kontinuierlich betrachten. Und ebensowenig verfolgen wir chronologisch das Leben des Reformators selbst: das alsbald (»fulmen Dei«, »Gottes Stimme«) abgebrochene Jurastudium, den Eintritt – nach einem Blitzeinschlag neben ihm – in das Erfurter Augustiner-Eremiten-Haus, das strengste der dortigen sechs Klöster, 1505; die Romreise, noch ohne Ärgernisnahme, 1510; die (dann zeitlebens beibehaltene) Professur für Bibelexegese 1512 in Wittenberg.
Noch immer ist Luther in den nächsten Jahren ein völlig Unbekannter in der Welt. Doch nach dem 1516 ausgebrochenen Ablaßstreit beginnt 1518 das römische Verfahren wegen Häresieverdacht, findet das (mit der Ablaßfrage eröffnete) Verhör durch den mit der causa Lutheri betrauten Legaten Kardinal Cajetan nach dem Augsburger Reichstag statt und die Verweigerung des Widerrufs. Es kommt im Sommer 1519 auf der Pleißenburg zur Leipziger Disputation mit Johannes Eck von Ingolstadt, Luthers stärkstem theologischem Widersacher. 1520 überbringt Eck persönlich aus Rom die Bannandrohungsbulle »Exsurge Domine« mit der Anführung von 41 »Errores Martini Lutheri«, die »fromme Ohren beleidigen, einfache Gemüter verführen«, die aber Luther (mit einem »Wildschwein aus dem Walde« verglichen, einem gar »wilden Tier«) publizistisch hochwirksam als Fälschung Ecks ausgibt und sie im selben Jahr noch am 10. Dezember mit scholastischen Traktaten, mit reichsrechtlich gültigen Büchern des kanonischen Rechts sowie einem Dutzend Schriften seiner Gegner Eck und Emser auf dem Wittelsberger Schindanger öffentlich verbrennt. »Wessen erfrecht sich der räudige Mönch!« rief Luthers Kollege, freilich den Juristen zugehörend, einer von ihm bekanntlich besonders wenig geschätzten Spezies, »Schinder«, »Zungendrescher«, zumeist auch noch »des Papstes Diener«, »böse Christen«. Und am nächsten Tag erklärt Luther, die Verbrennung allein genüge nicht, es sei notwendig, den Papst, d.h. den päpstlichen Stuhl zu verbrennen.
Worauf nach langem Zögern am 3. Januar 1521 mit der Bulle »Decet Romanum Pontificem« die Exkommunikation durch Leo X. erfolgt, die Reichsacht durch den Kaiser, das Wormser Edikt, auf der Rückreise von Worms die Scheinentführung durch den Landesherrn Kurfürst Friedrich den Weisen auf die Wartburg, wo Luther als »Junker Jörg« sein »opus proprium« schafft, seine von der neueren Forschung nicht selten relativierte literarische Großtat, die ihn, wie freilich wohl mehr noch sein Streitschriftenwerk, in dem er selbst ein Kernstück seines Schaffens sieht, als Sprachgestalter neben Goethe und Nietzsche stellt, die Übersetzung des Neuen Testaments nicht aus der bisher gebräuchlichen lateinischen Vulgata, sondern aus dem Griechischen ins Deutsche
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