Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert
Ortschaften.
Das Reichskloster Lorsch, in der Reformation mehrfach die Konfession wechselnd, je nach seiner Zugehörigkeit zu Mainz oder zur Pfalz, hatte Besitz von der Schweiz bis in die Niederlande und zu den friesischen Inseln, vermutlich 2000 Höfe.
Das Kloster St. Gallen, auf 4000 Hufe taxiert, besaß im Frühmittelalter im heutigen Württemberg an fast hundert Orten Land, noch zahlreichere Schenkungen bzw. Erwerbungen aber im Gebiet der heutigen Schweiz sowie in anderen alemannischen Gegenden.
Dem Kloster St. Blasien, das sich im 12. Jahrhundert Privilegien durch mehrfache Fälschungen sicherte, gehörten damals nicht weniger als 62 Kirchen, die sich über drei Bistümer, Augsburg, Konstanz und Straßburg, erstreckten.
Allein die Aufzählung der Güter, Einkünfte und Rechte des Stifts St. Florian zu Koblenz umfaßt nahezu fünfzig Druckseiten.
Ein im früheren 11. Jahrhundert in Tegernsee aufgestelltes Verzeichnis beziffert die Zahl der dem Kloster gehörigen Höfe auf 11860.
Das Bonifatiuskloster Fulda soll in weiter Streulage zwischen den Alpen und der Nordseeküste 15000 Höfe besessen haben; ebensoviele die große Benediktinerabtei Luxeuil am Fuße der Vogesen.
Saint-Germain-des-Prés bei Paris verfügt im 9. Jahrhundert unter dem Abt Irmino über 221080 Hektar, davon nur 1172 Hektar Sumpf, Hunderte von Hektar Weide, Wiese, Weinberge, 22129 Hektar Ackerland und 197927 Hektar Wald. Zu den 24 Herrenhöfen und 1646 Zinshöfen des Klosters kamen noch 71 Fremdenherbergen. Und wie in Deutschland, in Frankreich, so war es auch in England, dessen Kirche im späten Mittelalter vielleicht gar die Hälfte des Bodens besitzt. 21
Im Osten, wo schließlich der Klerus die treibende Kraft der Germanisierung wird und vor allem mit dem deutschen Adel die Westslawen unterjocht, erheben die im 11., 12., 13. Jahrhundert neugegründeten Klöster Abgaben in rund 800 sorbischen Dörfern. Allein die Klöster Bosau und Nienburg saugen mehr als 300 fast rein sorbische Ortschaften aus. Allein Bosau bezieht um 1200 die Zehnten aus 180 Dörfern, wobei jedes Dorf durchschnittlich zehn Hufen zählt. Außer den Zehntrechten und anderen Vergünstigungen besaß das Kloster (1256) fünf komplette Dörfer, zwei Mühlen, sechs Wirtschaftshöfe (allodia), sechs Kirchen und 224 Hufen.
Dieser große Klosterbesitz wurde meist mit Leibeigenen betrieben, die sich die Mönche oft viel länger leisteten als die weltlichen Grundherren. Hörte nämlich im allgemeinen die Leibeigenschaft bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts häufig auf, gab es sie beispielsweise im Kloster Blaubeuren noch am Ende des 15. Jahrhunderts, und zwar in der gleichen Form, wie sie das Wormser Hofrecht von 1024 spiegelt! Gewiß hatte der Abt die »Schutz- und Fürsorgepflicht« für seine Leibeignen. Doch wie sah die aus? Nun, er mußte etwa beim Tod der Eltern deren Kinder verpflegen, bis sie selbst »muß und brot« verdienten; das heißt, diese Leibeigenen mußten ihm geloben, auf immer Leibeigene seines Klosters zu bleiben und keinen anderen Herrn anzunehmen.
Natürlich bestand der Reichtum der »Kirche der Armen« nicht nur im Grundbesitz. Gerade aus ihm aber kamen, zumal der Geldumlauf unendlich beträchtlicher als vordem war, größere Summen durch bessere Bewirtschaftung, durch Verkauf der Produktionsüberschüsse, durch Zinsen. Weitere monetäre Einnahmequellen waren Vermächtnisse, Spenden. Selbst die Gräber innerhalb der Kirchenmauern und die Vergütung von Kirchenstühlen brachten Geld. Ebenso die Kirchenstrafen, die bei allen kaum vorstellbaren Gelegenheiten gezahlt werden mußten, bei versäumten Terminen, bei Nichtzahlung, bei Exkommunikation oder Interdikt oft für ganze Kommunen.
Schon im 7. Jahrhundert besaß man anscheinend den sogenannten Schatz von Guarrazar, eine »der größten Kostbarkeiten des mittelalterlichen Abendlandes« (Culican), erst 1858 nach Überschwemmung eines spanischen Friedhofs wieder ans Licht gekommen: Kronen, Brustkreuze, Anhänger; ein Stirnreifen des Abtes Theodosius. Sämtliche Stücke – vermutlich einst Eigentum einer Kirche bei Toledo, Hauptstadt der Westgotenkönige, aus deren Zeit das alles stammt – sind aus Gold und mit Saphiren, Perlen, Achaten, Bergkristallen übersät.
Viele Fürsten waren spendabel. Und bevor Wilhelm der Eroberer, kraft zahlreicher Kriege sich als »Gottesstreiter« fühlend, Stifter auch der Abteien St-Étienne und St-Trinité, am 9. September 1087 vor den Toren von Rouen verschied, vermachte
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