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Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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konnte, wie unschwer sich Schutz vor diesseitigen wie jenseitigen Gefahren, Rettung vor Sünden und Sündenstrafen, ja wie mühelos sich immerwährender Himmelslohn für schnöde Temporalien erkaufen ließ.
    Überall wiesen die Guten Hirten darauf hin, reizten sie Unschlüssige an, rieten sie Zaudernden zu, in Schriften, Predigten, in Beichtgesprächen, ganz besonders aber an den Sterbebetten, wo ihr Einfluß, ihre Argumentationskunst (nicht nur damals) auf die von Todesangst, von Höllenfurcht Gefolterten stets am stärksten war, immer ermahnten sie nicht nur zum Almosengeben, Opfern, zur Zehntleistung, nein immer und immer wieder riefen sie eifrig dazu auf, wenigstens, wenn schon nicht alles – das Beste, gewiß, das Sicherste! –, so doch einen Teil des eigenen Besitztums der Kirche zu hinterlassen und sich derart gleichsam selbst zu erlösen.
    Es war ja so leicht ... es bedurfte nur der bewährten geistlichen Agitation, sei es in Worten oder Werken, etwa immer wirksamer Reliquientranslationen. Schon in der Antike hatte man dadurch falsche und »wahre« Wunder (bei den saeculares) bewirkt, mit den Kapitalstücken einer Heiligenleiche nicht nur, auch mit ihrem Barthaar, ihrem Staub (III 241 ff.!). Und die »Nachfrage« war, dank christlicher Wissensbildung, bei den Gläubigen geblieben, noch gewachsen. »Seit der h. Veit im sächsischen Korvey ruhte (836) ging der Klosterbesitz rapid in die Höhe« (von Schubert). 23
    Diese Kleruspraxis erregte schon Zeitgenossen.
    Selbst Kaiser Karl »der Große« warf den Prälaten unnötige Kirchenbauten, Bereicherungen, maßlose Habgier, Erpressungen, Wucher, Betrug, Entwendung des Armengutes durch Androhung jenseitiger Strafen vor, aber auch erzwungene Landschenkungen Wohlhabender u.a. Scharf herrschte er auf dem Aachener Reichstag 811 Bischöfe und Äbte an, wandte er sich gegen alle, die in Gottes oder eines Heiligen Namen Reiche wie Arme, »einfältige Seelen, unwissende und unklare Köpfe ihres Eigentums berauben und deren rechtmäßige Erben um ihr Erbe bringen«. Kinder, Waisen, Verwandte, Arme sah er so in Not gestürzt, zwangsläufig auf den Weg des Widerstands, zu flagitia et scelera, furta et latrocinia getrieben, zu Bettlern, Dieben, Räubern gemacht.
    Nach den karolingischen Erlassen grassierte die Bettelei, das Wegelagerer-, das Räubertum im Frankenreich. Wiederholt verurteilen die Kapitularien das Schenkungsgebaren, die (letztwilligen) Vermächtnisse, den Eigentumsverlust, die daraus resultierenden Mißstände. Aber es sind selbstverständlich keine Interventionen gegen das feudale System. Es sind »Schutzmaßnahmen« pro domo. Sie gelten vor allem den kleinen freien Bauern, deren Anteil am Heeresdienst, für Karl gewiß das Wichtigste, ständig abnahm. Durch eine Befragung anno 811 erfährt er, die Ärmeren seien ebenso durch Bischöfe, Äbte und deren Vögte wie durch Grafen um ihr Eigentum gebracht worden. »Sie sagen auch, wer dem Bischof, Abt, Richter oder Unterbeamten sein Eigentum nicht geben wolle, gegen den suche man Gründe, ihn zu verurteilen, und lasse ihn fortwährend zu Heereszügen einrücken, so lange, bis er gänzlich verarmt ist und gutwillig oder unter Zwang sein Eigengut übergebe oder verkaufe; andere, die das schon getan hätten, säßen in aller Ruhe zu Hause ...« 24
    In den »Capitula de causis cum episcopis et abbatibus tractandis« aus dem Jahr 811 stellt Karl deutlich fest, »daß Geistliche in betrügerischer Weise Freie zur Aufgabe ihres Eigentums brachten, wobei sie Meineide, falsche Zeugnisse, den Heiligenkult und Reliquien einsetzten.« »Und was soll man erst von jenen sagen, die, gleichsam aus Liebe zu Gott und den heiligen Märtyrern und Bekennern, die Gebeine und Reliquien der heiligen Leiber von Ort zu Ort schleppen, überall neue Kirchen bauen und dringend, soviel sie können, auffordern, ihr Gut dahin zu übertragen?« (Die Gesamtzahl der Kirchen in Deutschland um die Mitte des 9. Jahrhunderts wurde auf 3500 geschätzt.) Karl wollte nicht viel von dem verweltlichten egoistischen Treiben der Mönche wissen, wollte sowohl die Zahl der Kongregationen wie deren Angehörige beschränkt sehen. Nur ganz wenige Klöster hat er beschenkt und kein einziges selbst gestiftet. Erstaunt es, daß der heiliggesprochene Monarch (IV 504) noch in seinen letzten Lebensjahren verbietet, dem König an die Kirchen zinspflichtigen Grund und Boden zu übertragen?
    Freilich, Karl war noch nicht lange tot, da verordnete Ludwig der Fromme 819:

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