Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert
Zölle, bekamen Häfen und Hafenabgaben, bekamen schließlich ganze Grafschaften und endlich die Territorialhoheit. 18
Während die orthodoxe Kirche den Zehnt bis zum späteren Mittelalter nur selten erhob, wurde er für die römisch-katholische, der er fast als Mindestleistung galt, die wichtigste, für die Zahlungspflichtigen die schwerste Abgabe, eine häufig bloß äußerst widerwillig erbrachte Kontribution, wogegen sich im Westen wie im Osten des Reiches oft beträchtlicher Widerstand erhob, was sich aus Kapitularien, Synodalberichten, aber auch aus damaligen Beichtspiegeln ergibt. Immer wieder wird der Klerus angehalten, die Notwendigkeit der Zehntentrichtung zu betonen, immer wieder wird pünktliche, genaue Leistung eingeschärft, wird bei Vernachlässigung mit Mißernte, Pest, Unwetter, mit Verlust des Seelenheils gedroht. Und nicht von ungefähr dringt die Kirche durch Jahrhunderte darauf, Zehntstreitigkeiten vor den geistlichen Gerichten auszuhandeln, womit sie sich bis ins ausgehende Mittelalter auch durchsetzt.
Im 9. Jahrhundert schreibt Rhabanus Maurus, Abt von Fulda, niemand dürfe eine Kirche betreten, die Messe hören, die Sakramente empfangen, der nicht zuvor den Zehnten erbracht. Im 13. Jahrhundert geißelt Berthold von Regensburg, größter (franziskanischer) Volkspropagandist der Zeit, Agitator für Kreuzzüge und »Ketzer«-Hetze, zwar leidenschaftlich die Geldgier (gîtekeit), tröstet aber auch die armen Arbeiter, die vor lauter Arbeit nicht oft Messe hören können, weil »wo der rechte Mensch an seiner rechten Arbeit sei, er auch teilhaftig werde an den Messen«, und treibt nicht minder eifernd zur gewissenhaften Zehntabgabe. Dabei suchten sich die frommen Christen gegenseitig zu hintergehn: die Maße der Zehntpflichtigen waren oft kleiner, die der Zehntempfänger – und sie wurden meist gebraucht – größer. Hat man doch überhaupt durch die Jahrhunderte ungezählte Zehntprivilegien gefälscht.
Seit der Karolingerzeit galt Zehntverweigerung als Apostasie, als Glaubensabfall. Der Zehntverweigerer wurde nicht als gewöhnlicher Dieb, sondern als Gottesräuber bestraft; im Normalfall erst durch Geldbuße, Zahlung des Königsbannes, schließlich durch Exilierung und Vermögensentzug. Zuweilen führte die Zehntlast zu Aufständen oder sie spielte da wenigstens eine erhebliche Rolle, etwa 841 beim Aufruhr der Stellinga (V 116 f.!) oder 1229 beim Krieg gegen die Stedinger (VII 191 ff.!). Dazwischen rebellierten der Zehnten wegen zum Beispiel die Thüringer gegen den Mainzer Erzbischo f. 1069 hängten sie einige seiner Ministerialen auf und bedrohten ihn 1074 auf einer Synode in Mainz auch persönlich.
Doch gab es um dieser Steuer willen nicht nur zwischen Kirche und Laien Krawall. Die Kleriker befehdeten deshalb auch selber einander, die Bischöfe die Bischöfe und am schärfsten diese die Mönche, da die Mönche ihr Land zehntfrei haben, die Bischöfe aber den Zehnt kassieren wollten. So stritt um die »decima« schon um 800 der Prälat von Freising mit dem Abt von Tegernsee, im 9. Jahrhundert der Mainzer Erzbischof mit dem Kloster Hersfeld, im 10. der Bischof von Orléans mit dem Abt Abbo von Fleury, im 11. wieder der Mainzer Metropolit mit den Hersfelder Mönchen oder das Bistum Osnabrück mit der Abtei Corvey, letzteres ein Zehntkampf, der sich über mehr als zweihundert Jahre hinzog, bis ihn endlich Bischof Benno II. von Osnabrück mit acht gefälschten Urkunden gewann. Der Streit zwischen Bischöfen und Klöstern aber dauerte fort, ohne daß ihn eine Seite für sich entscheiden konnte; was weniger an den streitenden Parteien lag als an den Päpsten, deren Stellungnahmen, je nach ihrer Herkunft, ständig wechselten.
Sogar Mönche untereinander führten erbitterte Zehntfehden, selbst Mönche derselben Ordensregel, wie Zisterzienser und Cluniacenser. Als sich so das 1130 neugegründete Zisterzienserkloster Le Miroir kraft eines Privilegs weigerte, dem Cluniacenserkloster Gigny in der Champagne den bisher bezogenen Zehnt zu zahlen – ein Streit, in den so prominente Kirchenführer wie Papst Eugen III., Bernhard von Clairvaux und Peter von Cluny eng verflochten waren –, überfielen im Jahr 1152 Zinsleute und Mönche des Klosters Gigny die Abtei Le Miroir, plünderten, brandschatzten und »zerstörten alles bis auf den Grund« (Hoffmann). Den Schaden schätzten die Äbte von Clairvaux und Cluny auf 30000 Solidi.
Da infolge des Eigenkirchenwesens in der nachkarolingischen Zeit auch der
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