Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert
auswich, einiges gar abstritt, wenn es auch wohl zu weit geht, behauptet der Gesandte der Kölner Universität von einem Besuch bei Hus: »Niemals sah ich einen so dreisten und das Recht verdrehenden Kerl, der so vorsichtig zu antworten und die Wahrheit zu verbergen wußte.« In allem Wesentlichen, Entscheidenden, in allem, was seinen moralischen Rigorismus, seine unerschrockene Kirchenkritik, seine Hochschätzung Wyclifs betraf, erwies sich Hus als unerschütterlich. Immer und immer wieder aufgefordert abzuschwören, immer und immer wieder durch Drohungen und Verlockungen zum freiwilligen Widerruf gedrängt – er blieb standhaft. 20
So kam Samstag, der 6. Juli 1415, der letzte Akt des blutigen Theaters. Alles, was Rang und Namen hatte, feierte schon am frühen Morgen im Münster die hl. Messe, von der Hus, gefesselt und von Schwerbewaffneten umringt in der Vorhalle, ausgeschlossen war. Der Erzbischof von Gnesen sang das Evangelium nach Matthäus 7,15: »Hütet euch vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen, im Inneren aber räuberische Wölfe sind ...«. Der Bischof von Lodi hielt die Predigt nach dem Pauluswort: »Der sündige Leib soll zerstört werden« und appellierte an den König, unter der Krone und mit all seinen Insignien präsent, die »Ketzerei« auszurotten, »vor allem aber diesen verstockten Ketzer da, durch dessen Bosheit so manche Gegenden der Erde von ketzerischer Pest angesteckt sind und zugrunde gerichtet werden ...«
Hus, inzwischen hereingeholt, war aufs Knie gesunken und betete.
Dann verlas man die Anklagepunkte und die vielen falschen, längst entkräfteten Zeugenaussagen, wobei ein »Dekret des Schweigens« bestand. Doch Hus, seine letzte Gelegenheit nützend, die Öffentlichkeit zu informieren, seine Rechtgläubigkeit zu bekunden, rief immer wieder mit lauter Stimme seine Proteste und Berichtigungen dazwischen, bis man den Bütteln befahl, ihn gewaltsam zur Ruhe zu bringen, so daß er mit zum Himmel erhobenen Händen eindringlich bat: »Hört mich doch, um Gottes willen, hört mich, damit wenigstens die hier Versammelten nicht alle glauben, daß ich Irrlehren behauptet habe! Hernach mögt ihr mit mir machen, was euch gefällt!«
Als man ihn wieder bezichtigte, sich als vierte Person der Gottheit bezeichnet zu haben, wollte er, natürlich vergeblich, den Namen des Zeugen hören und bekannte seinen katholischen Glauben. Und als man ihm seine Mißachtung des Banns vorhielt, erklärte er, dreimal an den Papst geschickt zu haben, um seine Sache zu verteidigen oder sich eines Besseren belehren zu lassen. Da ihm dies verwehrt geblieben, sei er »aus freiem Entschluß auf dieses Konzil gekommen, nachdem mir der König, der hier anwesend ist, sicheres Geleit versprochen hatte, das mich gegen jegliche Gewalt schützen sollte« – wobei Hus den Herrscher ansah, »the playboy ruler of the Holy Roman Empire«, über dessen Gesicht, so Augenzeuge Mladenoviç, »eine Schamröte flog«, ohne Zweifel »the saddest figure in this drama« (Molnar).
Eine traurige Figur macht noch heute der katholische Kirchenhistoriker Brandmüller, der schreibt: »Zum guten Schluß (!) versuchte das Konzil, dem Angeklagten den Widerruf so leicht, wie es nur anging zu machen ...«
Nach Verlesung des Urteils, mit dem die »heilige Synode« einen »hartnäckigen, unverbesserlichen und nicht zum Abschwören seiner Irrlehren bereiten Menschen« richtete, einen wahren und offenbaren »Ketzer«, der »verdammte Irrtümer und viel Anstößiges, Verwegenes und Aufrührerisches gelehrt und öffentlich gepredigt hat«, sank Hus aufs Knie und rief: »Herr Jesus Christus, ich bitte dich, verzeih allen meinen Feinden wegen deines großen Erbarmens; du weißt, sie haben mich fälschlich angeklagt, falsche Zeugen vorgeführt und falsche Artikel gegen mich aufgestellt! Verzeih ihnen deiner unermeßlichen Gnade wegen.« Viele Bischöfe lachten; der königliche Rat Graf Schlick aber verließ erregt und mit der lauten Erklärung das Münster, er könne bei solch ungerechter Verurteilung guten Gewissens nicht zugegen sein.
Nun wurde Hus feierlich degradiert. Auf einem Podest inmitten des Kirchenschiffs stehend und mit dem ganzen Pfaffenornat bekleidet, rissen ihm – da er einmal mehr das Abschwören verweigerte, um »nicht Gott«, wie er unter Tränen sagte, »ins Gesicht lügen und gegen mein Gewissen verstoßen« zu müssen – sieben ihn schmähende und verfluchende Bischöfe Stück für Stück der Gewänder ab,
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