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Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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auf Abwehr und Angriff bedacht. Feldpfaffen somit durchaus erwünscht! »Es ziemt sich eines treuen Christenmenschen nicht, vor dem Antichrist zu weichen.«
    Zeitweise im Dienst des polnischen und des böhmischen Königs, der ihn ausdrücklich ermächtigt, Hussens Hinrichtung zu rächen, war der Hussitenführer auch politisch eher traditionell orientiert, weder grundsätzlich gegen Adel noch Bürgertum. Später brach er freilich mit dem Ho f.
    Unter Zizka und Zelivský kommt es am 30. Juni 1419 zum »Ersten Prager Fenstersturz«, zum Ausbruch der hussistischen Revolution. Demonstranten üben Lynchjustiz, werfen Stadtrichter, Gerichtsdiener, Stadträte, Bürgermeister durch die Neustädter Rathausfenster auf die Straße, wo sie die Menge zerfleischt. Auch katholische Geistliche werden vertrieben, ermordet, Kirchen und Klöster, die großen Landbesitze, zerstört. Den Ärmsten, Ausgebeuteten wird ein goldenes Zeitalter verheißen, der Sturz der Unterdrücker, eine egalitäre Gesellschaft, die Gütergemeinschaft, gar die Wiederkunft Christi.
    Vor Aufregung stirbt König Wenzel IV. am 16. August 1419 auf Schloß Wenzelstein bei Prag. Und nach seinem Tod eskaliert die Revolte erst recht. Man stürmt schon anderntags die Kirchen, man ruiniert Reliquien und Altäre, Bilder und Orgeln und stiehlt auf Teufel komm raus. Auch das Kartäuserkloster raubt man aus, brennt es bis auf die Mauern nieder. Annähernd fünfzig Klöster des Landes werden in diesem und dem nächsten Jahr vernichtet, dazu mehr als hundert Kirchen, auch Mönche und Klosterfrauen erbarmungslos massakriert. Weithin gibt es keine Priester mehr; »sie waren alle umgebracht« (Hauck).
    Seit 1420 organisiert und führt Zizka als oberster Befehlshaber mit einer »hussitischen Heeresordnung« und unter Anwendung teilweise neuer Kriegstechniken, der Wagenburgen (schon seit der Antike bekannt, doch jetzt ihre »Blütezeit« erlebend), der Feuerwaffen, das Feldheer der Taboriten. Den Berg Tabor, benannt nach dem heiligen Berg der Bibel, die hussitische Festung, Zentrum der Radikalen, muß die radikalste, chiliastische Vorstellungen vertretende Gruppe im März 1421 verlassen: die Pikarden, die, vom Heiligen Geist erleuchtet, religiöse Unterweisung verwerfen, zur Vielweiberei und Gütergemeinschaft tendieren. Bald darauf schleppt man etwa fünfzig von ihnen auf Befehl Zizkas, der diese Eiferer gnadenlos jagt, als »abscheuliche Ketzer« auf den Scheiterhaufen. (Einer ihrer Priester, Martin Húska, wird am 21. August 1421 allerdings von Katholiken verbrannt.) Die den Pikarden manchmal gleichgesetzten (sehr kontrovers beurteilten) Adamiten, rund 300 an der Zahl, beseitigt Zizka im Frühherbst 1421. 24
    Hussitische Prediger ziehen umher und schüren den Aufruhr. Religiöser Fanatismus und Raffgier entfesseln immer mehr die Massen. Bald will man nicht nur Böhmen, sondern Deutschland befreien, will man, als von Gott auserwählt, als Verkünder des allein wahren Glaubens, ganz Europa hussitisch machen. Will aber nicht nur missionieren, will auch die in Leibeigenschaft und Fron steckenden, stets von Hunger, Seuchen, von Kriegsschrecken bedrohten Bauern befreien, will nicht nur eine religiöse, sondern auch eine soziale Revolution. Alles soll Gemeingut werden, auch frei von Abgaben und Steuern sein.
    Beutemachen war in der hussitischen Heeresordnung streng verboten. »Wegen Raub aus Gier nach Gold«, sangen die »Gottesstreiter«, »lasset euer Leben nicht, und bei Beute haltet euch nicht au f.« Doch allmählich lief alles immer mehr auf bloße Brandschatzungen, auf Raubzüge hinaus, belud man sich nur noch, wie ein tschechischer Annalist schreibt, »mit großer Beute« und ließ sich »am Golde genügen«.
    Das ging freilich nicht ohne Blutvergießen.
    Zunächst schlägt man in Böhmen um sich, vernichtet etwa im Pilsener Raum alle Kirchen und Klöster, zerreibt so bravourös wie verlustreich eine Adelstruppe, erobert und verbrennt die Stadt Sezimovo-Ustí.
    König Sigismund, nach dem Tod seines Halbbruders rechtmäßiger König Böhmens, ist nach diversen Türkenkämpfen in Ungarn seit Ende 1419 wieder im Land, doch wegen seiner grausamen Kriege und der Verbrennung von Hus überaus unbeliebt. Und während er einerseits seine »angeborene Anhänglichkeit an die süße Heimat« versichert, will er andrerseits Wiclifisten wie Hussiten lieber heute als morgen ersäuft sehn. So macht er selbstverständlich gemeinsame Sache mit Papst Martin V. und verkündet am 17. März 1420

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