Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert
Bischöfe, einzelne Theologen und Mönche. Man streute Gerüchte aus, Falschmeldungen, fälschte gelegentlich öffentliche Anschläge, fälschte Hussens Korrespondenz, fälschte die Bibel. Man fing auch seine Post ab und verwendete sie gegen ihn. Und man arbeitete mit Bestechungen. Vor Hussens Kerker erklärte Michael de Causis: »Mit Gottes Hilfe werden wir diesen Ketzer schnell verbrennen, viele Florenen habe ich schon seinetwegen ausgegeben.«
Andererseits hatte noch im Spätsommer 1414 der Päpstliche Inquisitor in Prag, Bischof Nicolaus Condemone, in Gegenwart mehrerer böhmischer Adliger und eines Notars, der dies beglaubigte, erklärt: »Mit dem Magister Hus bin ich oft und viel zusammengewesen, habe mit ihm gegessen und getrunken, seine Predigten gehört und viele Unterredungen über die Heilige Schrift mit ihm gehabt, aber niemals eine Ketzerei bei ihm wahrgenommen; vielmehr habe ich ihn als einen rechtschaffenen und katholischen Mann erkannt und nichts Irriges bei ihm bemerkt. Bis zur Stunde hat ihm noch niemand eine Ketzerei nachgewiesen; auch hat das niemand versucht, als er erst vor einigen Tagen bei der Kirchenversammlung im erzbischöflichen Palast durch öffentliche Maueranschläge dazu aufgefordert hatte.« Und ähnliches sagte seinerzeit der Prager Erzbischof Konrad von Vechta auf einer Priesterversammlung. 17
Unerschütterlich stand in dieser finsteren, verheuchelten Konzilswelt der böhmische Adlige Johannes von Chlum zu Hus, wenn auch alles, was er tat, hintertrieben und nicht wirksam wurde. Doch gelangten auch zwei tschechisch geschriebene Protestbriefe des mährischen Adels an den König sowie, gleichfalls an diesen und gleichfalls auf tschechisch, das feierliche Memorandum einer großen Versammlung von Baronen, Rittern, Edelleuten am 12. Mai in Prag, versehen mit nicht weniger als 250 Siegeln der böhmisch-mährischen Aristokratie, die empört ist über die Einkerkerung des Magisters gegen Wahrheit und Recht. Schuldlos sei er verleumdet worden, mit ihm aber auch Böhmen und die »tschechische Zunge«. Und jetzt, heißt es, ist er »in deiner Macht und in deiner Stadt gefangen, obwohl er deine Versprechen und Geleitbriefe hat!«
Doch der König fürchtete die Kardinäle und hatte sich längst, falls nicht von Anfang an, gegen Hus entschieden, hatte sich opportunistisch auf die Seite der großen Mehrheit geschlagen. Ebenso klug wie berechnend, ebenso unzuverlässig wie ehrgeizig, wollte Sigismund Retter der Kirche und der ganzen Christenheit sein. Und er wollte Böhmen nicht als »Ketze«-Winkel gebrandmarkt sehen. So gab er Hus preis, zumal man, wie Eberhard Dracher, ein Augenzeuge, berichtet, so lange auf ihn eingeredet hatte, »daß er einem der Ketzerei Verdächtigen sein Wort zu halten nicht verpflichtet sei, bis er es selber glaubte« – »und do er iren ernst hertt, do ließ er es gut sin« und sich durch die »Sache Hus und andere Kleinigkeiten« nicht irritieren.
An Neujahr 1415 gestattete er den Kardinälen in aller Form, mit Hus nach eigenem Ermessen zu verfahren. Er kapitulierte vollständig vor den zu Tausenden versammelten Pfaffen. Er wollte, daß Hus abschwöre oder das Verhängnis seinen Lauf nehme, der Häretiker verbrannt werde. Bereits eine seiner Ketzereien, äußerte er, reiche dazu. Ja, er forderte die Kardinäle auf, Hus zu mißtrauen, selbst wenn er widerriefe. Nach Böhmen zurückgekehrt, würde sich seine Lehre auch über Polen und andere Länder verbreiten.
Viel zu spät erkannte Hus, vor dem Freien Geleit des Königs schon in Böhmen dringend gewarnt, in seinem, wie er lange meinte, »gütigen Wohltäter und starken Beschützer«, den Gegner. Er erinnerte sich nun eines Königsboten, des Herrn Mikes Divoky, der ihm einst auf Burg Krakovec in Sigismunds Namen sicheres Geleit und ein gutes Ende versprochen, doch dem Auftrag Sigismunds selbst mißtrauend von sich aus hinzugefügt: »Wisse für gewiß, Magister, daß du verdammt werden wirst!« Zu spät erkannte er, »daß Mikes die Absichten des Königs nur zu gut durchschaut hatte«. Ja, er glaubte schließlich, der Herrscher habe ihn von Anfang an getäuscht. »Ich nehme an«, schreibt er an Chlum und Dubá, »dies ist mein letzter Brief an Euch, weil ich morgen in Hoffnung auf Jesus Christus durch einen schrecklichen Tod von meinen Sünden gereinigt werde. Was mir in dieser Nacht geschah, kann ich nicht schreiben. Sigmund hat alles in betrügerischer Absicht getan.« 18
Schon längst hatte auch die offizielle
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