Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert
der böhmischen Grenze aber wurde er in Hirsau, Oberpfalz, gefangen und von Herzog Johann von Bayern im Mai wieder zurückgeschickt. Man karrte ihn, an Händen und Füßen gefesselt, nach Konstanz, wo er am 23. Mai eintraf, kerkerte ihn ein Jahr, gleichfalls an Händen und Füßen in Ketten und in gekrümmter Stellung bei Wasser und Brot, ein und verbrannte ihn am 30. Mai 1416.
Zwar hatte man Hieronymus, durch schauerliche Haftumstände mürbe gemacht, im September 1415 zur Lossagung von Wyclif und Hus gebracht, doch wurde auch sein Widerruf von ihm widerrufen und er vertrat die alten Überzeugungen mit einer selbst seine Feinde beeindruckenden Haltung. »Nie habe ich«, bekannte der Konzilsteilnehmer und Sekretär der päpstlichen Kurie, Poggio Bracciolini, »einen so beredten Mann gesehen, der den alten Rednern so nahe kommt als Hieronymus. Seine Feinde hatten mehrere Anklagen aufgesetzt, um ihn der Ketzerei zu beschuldigen, und er verteidigte sich so schön, so bescheiden und so klug, daß ich nicht imstande bin, es auszudrücken ... Hieronymus war schon 340 Tage in einem feuchten, finsteren Turm gesessen und konnte eine so treffliche Rede halten, voll Beispielen berühmter Männer und Grundsätzen der Kirchenväter. Sein Name verdient unsterbliche Ehre ... Hieronymus war aus der Schule der alten Weisen, weder Scaevola hat seine Hand so mutig ins Feuer gehalten als Hieronymus seinen ganzen Körper, noch Sokrates den Giftbecher so gelassen geleert, als Hieronymus den Scheiterhaufen bestieg.« 22
Die hussitische Revolution beginnt
Der Flammentod von Hus und Hieronymus führte, wie nicht anders zu erwarten, zur Rebellion in Böhmen und zu neuen ungeheueren Verbrechen. Das Land wurde ein brodelnder Hexenkessel, das Volk, vom Adel bis zum letzten Bauern, eine einzige Front gegen die katholische Orthodoxie. Während man Hus zum Heiligen erhob, während man ihn und Hieronymus als Märtyrer verehrte, ignorierte man die Konstanzer Konzilsbeschlüsse, die Bezichtigungen, Verfluchungen, das Interdikt über Prag, reichte das Abendmahl unter der Gestalt von Brot und Wein und machte den Kelch zu einem Identifikationsattribut, zum zugkräftigen Hussitensymbol. Empört, rachelüstern, raubend jagten die »Kelchgläubigen« den altkirchlichen Klerus. Fortgesetzte Exzesse folgten, Plünderungen von Kirchengütern, massenhafte Vertreibungen, die Ermordung der gegnerischen Geistlichen. Auch der Erzbischof mußte weichen.
Während Sigismund lavierte, mehr noch Wenzel, setzten sich radikale Köpfe an die Spitze der bald in verschiedene Gruppen auseinanderbrechenden Bewegung, vor allem in die radikalen Hussiten, die Taboriten, und in die gemäßigten, denen Universität und Hochadel zuneigten, die Utraquisten (Kalixtiner), die das Abendmahl unter beiderlei Gestalt empfingen. Sie formulierten ihre Forderungen in den »vier Prager Artikeln«, das heißt, außer der Kommunion sub utraque specie: freie Predigt für dazu befähigte Kleriker; Besitzlosigkeit der Geistlichen; Bestrafung von Todsünden (Häresie, Simonie, Diebstahl, Trunksucht u.a.) an Priestern wie Laien durch die weltliche Obrigkeit.
Jan Zelivský (Johann von Selau), ein ehemaliger Mönch, Ex-Zisterzienser und einer der unentwegtesten Agitatoren, verkündete wortgewaltig das nahe Weltende, den Kampf gegen den Antichrist, den Umsturz alles Bestehenden. Von der Kanzel herab hetzt er seine Anhänger gegen Adel und städtisches Bürgertum und beschimpft einmal den anwesenden Bürgermeister als »Räuber dieser Gemeinde«.
Die Bibel ist wie immer nützlich. Im Gedenken an Moses und die alttestamentlichen »Helden« stachelt Zelivský seine Zuhörer auf, »ihre Schwerter in das Blut ihrer Feinde zu tauchen«. Bald kommt man zu seinen Predigten bewaffnet. Dann aber fällt er, auch im Krieg als »director exercitus« brillierend und beim Volk beliebt, wegen seiner Radikalität dem Prager Stadtrat lästig und wird, nebst zwölf Parteigängern im Frühjahr 1422 zu Beratungen gebeten, insgeheim geköpft, worauf die Seinen das Rathaus stürmen, die Abstechung der Ratsherrn erfolgt, die verhaßter Priester und, wie so häufig, schuldloser Juden. 23
Bedeutender, noch populärer: Jan Zizka von Tratzenau (Trocnov), aus südböhmischem Kleinadel, ein leidenschaftlicher Verehrer von Hus und Feind der Priester, dabei pragmatisch, ohne sonderlichen Sinn für sektiererische Eiferer, theologische Haarspaltereien, Streit um kirchlichen Kult, vielmehr ganz auf militärische Konzentration,
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