Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
Vom Netzwerk:
würde, bis am 18. Oktober 1437 der Basileus, 20 Metropoliten und ein Schwarm von Mönchen, insgesamt 700 Personen, Eugens Schiffe bestiegen. 14
    Die Ostchristen trieb ohne Zweifel nicht religiöse Überzeugung, sondern die stets größere Gefahr, das Schutzbedürfnis, das Schrumpfen ihres Reiches, die Türkennot. Byzanz brauchte Truppen, einen heiligen Krieg; das Zukreuzekriechen bei den Römern war ein reiner Verzweiflungsakt. Papst Eugen aber, der die Kirchenunion, einen beträchtlichen Prestige- und Machtgewinn auch gegenüber den Baslern erhoffte, nutzte einfach die Lage.
    Nach langem dogmatisch-theologischem Gefeilsch (um Primat, Fegfeuer, das Filioque zumal, wonach der Hl. Geist »aus dem Vater
und dem Sohn
« hervorgeht und man endlich sowohl »a filio« als auch »per filium« akzeptiert), nach politischem, nach finanziellem Druck, nach mancherlei Demütigungen und Unerquicklichkeiten unterzeichnete man am 5. Juli 1439 das Einigungsdekret »Laetentur coeli«, die sogenannte Florentiner Union. 117 Lateiner signierten und 33 Griechen, nur zwei von ihnen weigerten sich. Doch die Sache hatte bloß kurzen Bestand; 1472 wurde sie feierlich und förmlich von der Ostkirche verworfen. 15
    Die Lateiner begingen das Ereignis mit einer lateinischen Messe, schlugen aber die von Kaiser Johannes erbetene Beteiligung an einer griechischen Eucharistiefeier brüsk ab. Der Westen bestimmte wie immer, wenn er die Macht hat. Die Stimmung der Byzantiner jedoch war gedrückt. Die Mehrzahl der Unterzeichner kehrte verbittert heim, beschämt und widerrief auch. Ja, Kaiser Johannes VIII. promulgierte in Konstantinopel, wo einer wachsenden Opposition das Florentinum als Verrat galt, die Union bis zuletzt nicht.
    Als aber nach Johannes' Tod sein Bruder und Nachfolger Konstantin XI., der letzte, 1453 im Kampf um Konstantinopel fallende Kaiser von Byzanz, kurz zuvor die Union doch verkündete, so – völlig vergeblich – auf eine leichter erreichbare westliche Militärhilfe hoffend, erregte er einmütige Mißbilligung. Soll doch sogar einer der höchsten christlichen Würdenträger des Reiches erklärt haben: »Lieber wollen wir die Macht des türkischen Turbans als diejenige der lateinischen Tiara in unserer Stadt sehen.« 16
    Verwundert es? Die Byzantiner hegten einen tiefen Argwohn gegen den Westen. Das grauenhafte Morden und Plündern nach der Einnahme Konstantinopels durch die Kreuzfahrer 1204 (VII 95 ff.!) war unvergessen. Wer aber wußte, wohin eine Hilfe des Westens gegen die Türken führte? Vielleicht nicht nur zur Gefährdung der byzantinischen Orthodoxie, sondern zur Gefährdung des byzantinischen Staates überhaupt? Vielleicht würde die lateinische Herrschaft schlimmer als die türkische sein? Würde sie nicht die Befreiung, sondern die dauernde Knechtung durch den Papismus samt Anhang bringen, die vollständige Latinisierung des Griechentums?
    Ansätze dazu gab es. Begann doch gerade unter Eugen IV. als unmittelbare Folge der Kirchenunion eine jahrzehntelange Kreuzzugspolitik gegen das im 14. und 15. Jahrhundert zur Großmacht aufgestiegene Reich der Osmanen, dessen Gegenkreuzzüge längst begonnen hatten. 17

Die Türken vernichten Byzanz

    Schon um 1300 sind viele kleinasiatische Provinzen Konstantinopels türkisch. Dann gehen auch ihre alten Metropolen dort verloren, 1326 Prusa, 1331 Nikeia, 1337 Nikomedeia. Bereits 1352 erobern die Invasoren am Marmarameer die erste Festung auf dem Balkan. In verhältnismäßig rascher Folge nehmen sie 1354 das Dardanellenkastell Gallipoli, 1362 Adrianopel, wo nun, rund 100 Kilometer im Rücken von Konstantinopel, der osmanische Sultan residiert. 1371 wird der König von Bulgarien türkischer Vasall. 1387 gewinnen die Aggressoren Thessaloniki, 1395 definitiv das ihnen schon vordem großenteils tributpflichtige Makedonien.
    1389 triumphieren die Türken in der so berühmten wie blutigen Schlacht von Kosovo polje (Amselfeld), der »serbischen Götterdämmerung«. Philippe de Mézières, der zeitgenössische französische Autor, Planer der »Militia Passionis« und einflußreicher Verfechter des Kreuzzugsgedankens, spricht von 20000 Toten, auch beide Heerführer darunter. Der später schreibende türkische Chronist Nesri notiert: »Berge von Leichen erhoben sich auf dem Schlachtfeld, Köpfe fielen auf die Erde wie Sand ...«
    Die Türken beherrschten nach diesem Debakel den gesamten Balkan.
    Natürlich zogen die Christen immer wieder einmal gegen den ungläubigen Koloß, dessen

Weitere Kostenlose Bücher