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Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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Versammlungsverbote von »congregations, conventicles and assemblies« ohne obrigkeitliche Erlaubnis. Und natürlich gab es Bauernaufstände auch in England schon vordem. Doch wurden sie immer wieder, besonders von den Klöstern, den auf Wahrung und Mehrung ihrer »Rechte« bedachten Äbten, mit eiserner Hand und der Hilfe des Königs niedergerungen. Und nicht sehr viel anders sollte die Sache auch jetzt verlaufen.
    Die durch die Leibeigenschaft, die Hörigkeit, den Steuerdruck (wegen Wiederbeginn des Krieges gegen Frankreich unter Richard II.) und durch die hohen Feudallasten Ausgebeuteten hatten sich erhoben, häufig von der bäuerlichen Oberschicht und niederen Geistlichen geleitet. Der Aufruhr, der viele Grafschaften erfaßte und oft mit der Abstechung von Steuereinnehmern, der Verbrennung der Steuerlisten, der Frondienstverzeichnisse begann, galt den Verursachern der wirtschaftlichen Not, den Besitzern der großen Latifundien. Er zeigte von Beginn an scharfe antifeudale Züge, die Wut besonders gegen die Kirche, die ein Drittel des Landes besessen haben soll, bekundete die Empörung gegen Bischöfe, Äbte, die reichen Konvente zumal, die man beraubte, ruinierte, deren Vieh man forttrieb.
    In London hatte auch ein Teil der Bevölkerung, besonders das Proletariat revoltiert, ähnlich in Cambridge, wo man u.a. das Corpus Christi College angri ff. Unruhen gab es auch in Norfolk und Suffolk. Das Haupt des Priors von Bury St. Edmunds fiel. Die Köpfe vieler Hochgestellter rollten. Auch Erzbischof Simon Sudbury von Canterbury, seit dem Vorjahr zugleich Kanzler, wurde von der Menge aus der Kapelle des Tower, in der er Zuflucht gesucht, gezerrt und geköpft, sein Sitz, Lambeth Palace, zerstört; ähnlich das Haus des Schatzkanzlers, zugleich Prior des Hospitalritterordens, und auch dessen Besitzungen in Schutt und Asche gelegt.
    In seltsamer Verblendung richtet sich der Zorn der Rebellen nie gegen den König, die »Verkörperung der Gerechtigkeit«. Entsprechend verfuhr er. Unter dem Druck der Empörer gestand der junge Richard II. urkundlich beglaubigt fast alles zu, was man von ihm verlangte, und bald darauf schlug er die Revolte im Verein mit dem Adel nieder, dabei unter anderen der kampflustige Bischof von Norwich, Henry Despenser (der wenig später auch einen katastrophalen »Kreuzzug« nach Flandern führte).
    Und nun fielen die Häupter der Erhebung, vor allem ihre beiden bedeutendsten Führer: Wat Tyler, am 15. Juni bei einer Begegnung mit König Richard ermordet, der »Verkörperung der Gerechtigkeit«, sowie der Geistliche John Ball, von den Commons ein »gerechter und guter Mann« genannt, am 15. Juli, ebenfalls in Anwesenheit des Königs, gehängt, ausgeweidet, gevierteilt und sein Bild von der zeitgenössischen Kirche beschmutzt. Tyler hatte die Beseitigung aller Standesunterschiede und aller Bischofssitze, bis auf einen, gefordert, sowie die Konfiskation sämtlicher Kirchengüter zugunsten der Laien. John Ball, bei Beginn des Aufstands aus einem Kenter Gefängnis befreit, soll sogar zur Tötung aller Lords, Rechtsgelehrten und königlichen Beamten aufgerufen haben (in einer Predigt mit dem Auftakt: »Whan Adam dalf [grub] and Eve span / Wo [Wer] was thanne a gentilman?«) Dies behauptet jedenfalls ein zeitgenössischer Benediktiner, der glühende Wyclif- und Lollardengegner Thomas Walsingham. Ball forderte jedoch weder Kommunismus noch Gütergemeinschaft, sondern eine Art christlicher Demokratie.
    »Kein Edelmann war seines Lebens und Gutes mehr sicher«, liest man in Pierers altem Universal-Lexikon und erfährt dann, daß die Edelmänner selber die schwierige Lage bereinigt haben »mit der Hinrichtung von fast 1500 Rädelsführern«. 24
    Die nächsten Jahrzehnte galten in England u.a. dem unterschiedlich scharf geführten Kampf gegen das »Ketzertum«, den Wyclifiten und den von ihnen stark beeinflußten Lollarden, der einzigen größeren häretischen Bewegung des Landes.
    Gestützt auf die Bibel in der Volkssprache, verwarfen die Lollarden, die in allen Kreisen Anklang fanden und bis ins 16. Jahrhundert fortdauerten, den Primat des Papstes, die Sakramente, die Bilderverehrung, das Wallfahren und besonders den weltlichen Kirchenbesitz, schätzten jedoch durchaus die staatliche Autorität. Die zeitgenössischen Chronisten aber eiferten gegen diese Christen ausnahmslos. Man fahndete nach ihnen, ihren Schriften, intensivierte mit ihrer Zunahme kirchliche wie staatliche Verfolgungen und verschärfte die

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