Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert
englischen Sache die französische herunterreißt. Geführt als typischer Inquisitionsprozeß mit allen schmutzigen Tricks, wobei nur das Foltern fehlt, verurteilt man Johanna, mutterseelenallein einer Horde haßerfüllter Richter konfrontiert, wegen ihrer teuflischen Stimmen, ihrer Männertracht, ihres Ungehorsams gegenüber der Kirche, wegen Zauberei und Hexerei, wegen Blasphemie, Grausamkeit, Schamlosigkeit, Hochmut sowie eines Schocks anderer Sünden. Und am 30. Mai verbrennt man sie auf dem alten Marktplatz zu Rouen, nicht ohne daß zuvor Monseigneur Cauchon, der den ganzen Prozeß mit anwiderndem Eifer betrieben, noch in altbewährter Heuchelei die weltliche Gerichtsbarkeit gebeten hätte, »ihr Urteil über Euch zu mäßigen ohne Tötung und Verstümmelung der Glieder«. Sie wird lebend verbrannt – auf einem besonders kleinen Scheiterhaufen, um sie noch stundenlang leiden zu lassen. Dann streut man ihre Asche in die Seine.
Führende Theologen und Kanonisten begutachteten damals ausnahmslos die Verdammung durch ihre Unterschrift. 1894 aber erklärt dieselbe Kirche Jean d'Arc als verehrungswürdig, 1909 wird sie selig-, 1920 heiliggesprochen. 29
Auch ein Judenhetzer wird heilig
Bei all den Kämpfen gegen äußere und innere Feinde vergaßen die Christen nie das Verfolgen der Juden.
Gewiß stellten ihnen manche Päpste, wie schon früher (VII 440 ff.), auch im ausgehenden Mittelalter Schutzbriefe aus und verboten darin Hetzreden des Klerus. So Papst Martin V., der allerdings – unter dem Einfluß des hl. Johannes Capestrano – schon wenige Monate später seinen Schutz widerruft und in der Bulle »Sedes Apostolica«, zu seiner »größten Bestürzung« Eigensinn und Ungehorsam der Juden beiderlei Geschlechts erkennend, ihnen jetzt »Betrug« vorwirft, »Schlechtigkeit« »schändliche Dinge und Verbrechen«. 30
Ähnlich nehmen Martins Nachfolger ihre Schutzbullen wieder zurück.
Eugen IV. verbietet statt dessen in einer Verordnung vom 8. August 1442 Juden und Sarazenen (in Kastilien und León) das Zinsnehmen von Christen. Er untersagt jedes Zusammenleben mit Juden und Mauren. Sie müssen in Städten in einem besonderen Quartier wohnen, dürfen mit Christen weder essen und trinken noch mit ihnen baden, noch an ihren Hochzeiten und Begräbnissen teilnehmen, keine Gevatterschaft bei ihnen übernehmen, ebensowenig umgekehrt. Juden und Mauren sollen keine Makler und Wechsler, sollen für Christen nicht Apotheker und Ärzte sein. Man verwehrt ihnen, kranke Christen zu besuchen, ihnen Medizin zu geben, bestimmte Lebensmittel zu verkaufen. Sie dürfen keine christlichen Diener, Landarbeiter, Hirten haben, sollen nicht Verwalter des Königs oder irgendeines christlichen Herren sein und nicht Waffen tragen.
Ganz so judenfeindlich wie Eugen IV. waren seine klerikalen Widersacher in Basel. Feierlich erneuert das Konzil 1434 die gesamte antijüdische Gesetzgebung der Kirche, wiederholt aber nicht nur alte, fügt auch neue Erlasse hinzu, fordert den Ausschluß der Juden aus den Universitäten und rechtfertigt die Zwangspredigt.
Auch Eugens Nachfolger Nikolaus V. (1447–1455) trat bald nicht mehr für die nahezu Verfemten ein, sondern verbot Christen jeden Verkehr »mit den von Tag zu Tag frecher werdenden Juden«, verbot ihnen jedes Amt und erneuerte auch seinerseits zahlreiche alte antijüdische Kirchengesetze.
Bei dieser geschlossenen judenfeindlichen Phalanx des Klerus und seiner andauernden Hetze wider die Juden ist deren fortgesetzte Verfolgung »zu Ehren Gottes und der Heiligen Jungfrau« nur konsequent. 31
Wie vor den Kreuzzügen stellte man den Juden, besonders in Bayern und Österreich, auch vor den Hussitenkriegen nach und schröpfte sie dann für diese Kriege noch finanziell enorm, um ein Drittel ihres gesamten Vermögens, eine Spezialität von König Sigismund, der die Ausbeutung seiner Opfer nicht weit genug treiben konnte. Erst garantierte er ihnen, sie längere Zeit vor Sondersteuern zu bewahren, was er sich natürlich hoch bezahlen ließ. Dann scherte er sich nicht um sein Versprechen, forderte vielmehr immer neue Abgaben. »Wenn ihr euch dawider setzet, so müssen wir euch an Leib und Gut strafen lassen, daß euch leid wäre, daß ihr euch wider unser königliches Gebot setzet.«
In Österreich sagte Herzog Albrecht V., Schwiegersohn Sigismunds und eifriger Förderer der sogenannten Melker Reform, den Juden nicht nur Verbindungen zu den Hussiten nach, sondern glaubte anscheinend auch die
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