Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert
der Breslauer Bischof fünfzig »Ketzer« auf einmal hatte ins Feuer werfen lassen (VII 277). 38
Aber man kann die ungeheure Blutspur der franziskanischen »Reiseroute« auch ganz anders sehen, und dies noch nach Hitler. So rühmen M. Pinay und seine geistlichen Co-Autoren zur Zeit des Zweiten Vatikanums in ihrem dreisten Hetzwerk »Verschwörung gegen die Kirche«, das jeder Konzilsteilnehmer erhielt, den hl. Thomas von Aquin, weil er die Notwendigkeit erkenne, »die jüdische Bestie in Ketten zu legen« und lehre: »Die Juden dürfen nicht behalten, was sie sich durch Wucher angeeignet haben und sind verpflichtet, diejenigen wieder hochzubringen, die sie vernichtet haben ... Die Juden leben wegen ihrer Schuld in ewiger Knechtschaft. Die Herren können ihnen daher alles wegnehmen und ihnen nur das Lebensnotwendige lassen, es sei denn, es werde durch die heiligen Gesetze der Kirche verboten.«
Ja, Pinay und Kollegen sehen bei Johann von Capestrano die thomistischen Postulate schönstens in die Praxis übergehen. Denn, triumphieren sie: »Dieser fromme Franziskaner bekämpfte die Bestie mit seinen Predigten und auch mit dem Schwert, das er dem Drachen in den Rachen stiess, bis er ihn besiegt hatte ... Die Verwüstung, die er in der ›Synagoge des Satans‹ hervorrief, wird von verschiedenen Juden als die schlimmste angesehen. Die Hl. Kirche hat aber schon ihr endgültiges Urteil über diesen Kämpfer gefällt und ihn heiliggesprochen. St. Juan de Capistrano, der die Kirche und Europa im 15. Jh. rettete, verdient es, von den patriotischen Organisationen, die gegenwärtig das Judentum bekämpfen, als Schutzheiliger angesehen zu werden. Im Himmel wird er, der einen ähnlichen Kampf gewann, der wertvollste Fürsprecher bei Gott sein und sich für die einsetzen, die seinen heiligen Spuren folgen und in der Gegenwart darum kämpfen, die Kirche und ihre Nationen gegen den jüdischen Imperialismus der ›Synagoge des Satans‹ zu verteidigen.«
Der Radikalismus ist nicht zu überbieten, empfiehlt Johann von Capistrano doch in fraglos heiligem Eifer als beste Lösung des Konflikts mit den Juden die Endlösung, die völlige Vernichtung, die Ausrottung: »Man müsse endlich reinen Tisch machen. Alle Juden solle man als Feinde des Glaubens auf Schiffe laden und auf offener See ertränken.«
Sein Grab zwar hat man 1526 zerstört, seine Reliquien sind verschollen. Doch er wurde selig- und heiliggesprochen. 39
Wie im Westen, so fielen die Christen auch im Osten übereinander her. Zunächst allerdings hatte man dort gegen Heiden gekämpft, hatte man »christianisiert«, der Deutsche Orden etwa die Preußen seit 1231, und es wurde eine der blutigsten »Missionen« des Mittelalters (VII 183 ff. 186 ff.!).
Die »Preußenreise« – der Deutsche Orden bittet zur »Saison«
Der Historiker Heinrich von Treitschke, publizistisch Bismarck nahestehend, rühmt dem Deutschen Orden einen »dreifachen Stolz« nach, den »des Christen, des Ritters, des Deutschen« – und mehr als zweihundert Jahre betrieb der Deutsche Orden die Ausmordung und Verknechtung im Osten. Mehr als zweihundert Jahre führte er Vernichtungsfeldzüge, schlachtete er heimtückisch die Stammesführer ab, beging er systematisch Kinderraub, die Verschleppung von Frauen. Ungezählte Dörfer und Städte werden geplündert und niedergebrannt. In der Mitte des 13. Jahrhunderts schickt der Papst den Deutschen Rittern abgeurteilte Gangster zur Verstärkung, und am 16. September 1256 sichert eine Bulle Alexanders IV. (der versuchte, die Politik seines Vorgängers »mit möglichster Milde fortzusetzen«: Kühner), jedem Rechtsbrecher in Ordensdiensten Straffreiheit zu.
Die Hatz auf »Feinde« bekommt geradezu einen sportlichen Zug, die »Litauerreise« oder »Preußenreise«, wie sie heißt, saisonalen Charakter. Es gibt eine »Winterreise« und eine »Sommerreise«. Zweimal im Jahr bittet der hochangesehene Orden dazu, und immerhin hält das Interesse der »Kriegsgäste« über ein Jahrhundert an, wobei die Höhepunkte zwischen den 1330er und 1390er Jahren liegen, der »Blütezeit« des Deutschen Ordens in Preußen. Auch viele Franzosen kosten die mörderischen Reize der voyage de Prusse aus, viele Engländer, dazu Spanier, Schotten, Italiener, ja, der gesamte Adel Europas kommt, Herzöge und Könige darunter. Und ein Geschichtsschreiber des Deutschen Ordens, der im 15. Jahrhundert das 14. als Preußens »goldenes Zeitalter« malt, möchte uns wirklich glauben machen, der
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