Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert
verlassen hatte, der übrigens wahrscheinlich auch an dem »Tractatus novus et valde compendiosus contra Perfidiam judaeorum« beteiligt war.
Darüber hinaus wirkte der Heilige bei der lokalen Umsetzung dieser Erlasse teilweise direkt mit. Er liebte Propagandarummel, war als Bußprediger schon von 1399 bis 1409 durch halb Europa unterwegs, zeitweilig von riesigen Scharen, Männer und Frauen, sich peinigender Geißler begleitet. Und zog später wieder, Haufen fanatisierter Flagellanten anführend, durch Kastilien, durch Aragón, den »Heiligen Krieg« verkündend, den »Heiligen Haß«, »Tod oder Taufe«, jede Menge Flüchtlinge, Vertriebene schaffend, und ungezählte Selbstmorde Verzweifelter. 35
Auch ein großer Judenmörder wird heilig
Wie Vincent Ferrer wurde wenige Jahrzehnte später auch Johann von Capestrano, ein Adelssproß aus den Abruzzen, ein gefeierter Bußprediger, ein Organisator von Massenveranstaltungen, der als solcher »fast ohne Beispiel in der Geschichte steht«. Es erhellt schon daraus, daß das Volk – täglich zwanzig- bis dreißigtausend Versammelte – bei seinen Reden Tränenströme vergoß, »obgleich es seine Sprache nicht verstand, indem er lateinisch predigte« (Wetzer/Welte), freilich auch manchmal einen Totenkopf zeigte. So bekehrte er Tausende, darunter allein »11000 Hussiten«, auf die ihn der Papst und Kaiser Friedrich III. angesetzt. Und wirkte zudem als »Orakel seiner Zeit«, als »Wundermann«; heilte Hunderte, ging »auf seinem Mantel trockenen Fusses über den Po«, erweckte in Rieti einen Toten, »dem das Haupt entzweigespalten worden, wieder zum Leben« (Donin). 36
Dabei war de Capestrano, dieser gewaltige franziskanische Zungen- und Mirakeltäter – eigentlich schon wieder wunderbar –, ein eher mickriges Männchen, klein, unscheinbar, im Alter gar nur Haut und Knochen. Immerhin hatte er, nachdem er, der einstige Governatore von Perugia, dort eingekerkert war, seine geistliche Karriere bemerkenswert erfolgreich als Inquisitor begonnen, bereitete er doch durch den Kampf gegen die Fraticellen »ihren völligen Untergang vor« (Lexikon für Theologie und Kirche).
Sowohl Eugen IV. als auch Nikolaus V. erneuerten bereits bei ihrer Stuhlbesteigung Capestranos Mandat als Generalinquisitor, und die Folgen verspürten nicht nur die Fraticellen. Denn während der Propagandist jahrzehntelang vor allem in Italien auftrat, kam es dort zu sonst »kaum bekannten Ausschreitungen gegen die Juden« – der einzige diesbezügliche Hinweis des katholischen Handbuchs der Kirchengeschichte. Auch das Lexikon für Theologie und Kirche streift nur einmal »sein stetes Drängen bei Päpsten, Fürsten und Städten auf restlose Durchführung der Judengesetze« – in der ersten Ausgabe 1933, als sich der »Stürmer« und andere NS-Rassisten auf Capestrano, den »Judenhammer« des Spätmittelalters, beriefen, mit vollem Recht natürlich. (Die dritte Ausgabe aber des kirchlichen Lexikons von 1996 bringt im Capestrano-Artikel über sein Verhältnis zu den Juden kein Wort!)
In späteren Jahren zieht der Heilige – für den sächsischen Minoriten Matthias Döring nur ein eitler Prahler und Betrüger – durch Österreich, Bayern, Thüringen, Sachsen, Schlesien, Ungarn, Polen und »säubert« die Länder. Denn »Judenverfolgungen«, klagt Schopen in seiner Geschichte des Judentums, »kennzeichnen seinen Weg, Einkerkerungen, Vermögenskonfiskationen, Vertreibungen, Hinrichtungen durch Feuertod, Wegnahme der Kinder unter sieben Jahren zu gewaltsamer Erziehung im Christentum«. 37
Es ist die vom Lexikon für Theologie und Kirche gerühmte »fast 40 Jahre dauernde rastlose apostolische Wirksamkeit«, diese, so auch von Pastor, »großartige Reformtätigkeit«. Von Sizilien bis Polen hatten die Hetzreden des »frommen Vaters«, wie ihn immer wieder die Magdeburger Schöppenchronik nennt, antijüdische Demonstrationen zur Folge, Gewalttaten, Metzeleien. Manchmal, wie 1450 im frommen Bayern, lochte man die »Hebräer« schon vor seiner Ankunft ein oder vertrieb sie. In Breslau ließ der »würdige«, der »vornehme«, »dieser fromme Vater Johannes« 1453 wegen einer angeblichen Hostienschändung 41 Juden vor ihren Häusern auf dem Salzring lebendig verbrennen, alle anderen Juden wurden verjagt, beraubt, ihre Kinder unter sieben Jahren ihnen fortgenommen, um sie »rechtgläubig« zu machen. Ähnliche Greuel geschahen im selben Jahr in Liegnitz und in Schweidnitz, wo im frühen 14. Jahrhundert schon
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