Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert
»Ketzer«-Gesetze. 1401 drohte man – es geschah zum erstenmal in England – Häretikern die Todesstrafe an. 1413/1414 brach eine Revolte der Lollarden aus, am 15. Dezember 1417 wurde ihr Führer, Sir John Oldcastle, der einstige Freund Heinrichs V., am Galgen verbrannt. 25
Die Herren unter sich
In jenen Jahrzehnten entwickelte sich in England der Konflikt zwischen Königtum und Adel besonders instruktiv. Zunächst unter Richard II. (1377–1399), der mehr Macht begehrte, unbeschränkte Königsgewalt. Also ließ er einige hochadlige Widersacher hinrichten bzw. im Gefängnis ermorden, ließ den Erzbischof von Canterbury, Thomas von Arundel (der als erster die Übersetzung der Bibel in lebende Sprachen verbot), verbannen, bevor schließlich ihn, den König, Heinrich Bolingbroke (Heinrich IV.) im Juli 1399 gefangennahm, vom Thron stieß und augenscheinlich dafür sorgte, daß er im nächsten Jahr im Kerker umkam, nach einer unverbürgten Quelle durch Verhungern.
Heinrich IV. (1399–1413) setzte 1406 auch den schottischen König Jakob I. für 18 Jahre im Londoner Tower fest, ließ nach seinem Freikauf seinen Vetter Duke Murdoch samt dessen Familie töten und ihre Güter einziehen, bevor er selber 1437 als Opfer eines Adelskomplotts im Kloster Perth ermordet wurde. Heinrich IV. bekämpfte nicht nur die Wyclifiten, sondern auch sich häufende Verschwörungen und Aufstände im Innern, so 1400, 1403, 1405, 1408; u.a. eine Revolte des Erzbischofs von York, Richard Scrope, den er hinrichten ließ, worauf man ihn als Märtyrer feierte.
Drei Rebellionen lösten allein die Percies aus, eine britische Hochadelsfamilie, der Heinrich sein Königtum mitverdankte. In der Schlacht von Shrewsbury (1403) fiel Henry »Hotspur«, einziger Sohn von Henry, Earl of Northumberland, gegen den König. Zwei Tage darauf ließ dieser Thomas Percy, Earl of Worcester, und andere Insurgenten töten. Und 1408 kam auch Henry, Earl of Northumberland, in der Schlacht von Bramham Moor (Yorkshire) um. Heinrich IV. unternahm mehrere Kriegszüge nach Schottland sowie gegen den sich widersetzenden Waliser Fürsten Owain Glyn Dwr (Shakespeares »Glendower«), dessen Familie in Gefangenschaft geriet, während er selbst verschwand. 26
Die Wirren, Unruhen, Adelsfehden reißen kaum ab. In der Mitte des Jahrhunderts kommt es in Kent zur »Jack Cade's Rebellion«, zum Sieg über ein königstreues Heer, ziehen die Aufsässigen, meist Bauern und Handwerker, nach London, wo Heinrich VI. weicht und sein Großschatzmeister (Lord Treasurer) hingerichtet wird, bevor man auch John (Jack) Cade am 12. Juli 1450 in Kent beseitigt. Kurz zuvor war auch William de la Pole, Duke of Suffolk, ein bisheriger Günstling des Königs, von diesem verbannt und am 2. Mai 1450 bei der Einschiffung nach Frankreich auf mysteriöse Weise getötet worden. (Seinen Enkel Edmund läßt 1513 Heinrich VIII. liquidieren.)
Schließlich kommt Heinrich VI. in den Machtkämpfen der Königshäuser Lancaster (rote Rose) und York (weiße Rose), den sogenannten Rosenkriegen (Wars of the Roses), mit mehr als 60 Wochen langen Feldzügen, Land- und Seeschlachten, wiederholt in Gewahrsam und wird nach einem Gemetzel bei Tewkesbury 1471, wo man viele kriegsgefangene Lords und Ritter der Lancastrians über die Klinge springen läßt, selbst im Tower ermordet. 27
Es geschah aber auch, daß verschiedene englische Faktionen im französischen Bürgerkrieg mit rivalisierenden Gruppen koalierten und, gemeinsam mit den Franzosen, gegeneinander fochten. So vor allem bei dem großen Konflikt zwischen den Häusern Orléans und Burgund, den Armagnacs und Bourguignons, zwei im Frankreich des frühen 15. Jahrhunderts jahrzehntelang sich erbittert befehdende Parteien.
Auf der einen Seite standen der Graf Bernhard VII. von Armagnac (1391–1418) und das ihm verschwägerte Haus Orléans, besonders Ludwig, Herzog von Orléans, der jüngere Bruder des (seit 1392 zeitweise geisteskranken, 1422 in tiefer Umnachtung sterbenden, doch beim Volk beliebten) Königs Karl VI. Auf der anderen Seite, bei den Bourguignons, stritt Herzog Ludwigs Onkel, Herzog Philipp der Kühne, Begründer des Hauses Burgund, und nach dessen Tod (1404) setzte sein Sohn Herzog Johann »Ohnefurcht« (Jean »sans Peur«) den Kampf fort.
Johanns Anhänger ermordeten weisungsgemäß am 23. November 1407 Herzog Ludwig von Orléans grausam auf offener Straße; ein von Jean Petit, dem Pariser Theologen, in seiner berüchtigten »Justification« als
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