Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Titel: Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orlando FIGES
Vom Netzwerk:
erhielt der Zar die Nachricht, dass Österreich mobilmache und sich bis zum Juli dem Krieg gegen Russland anschließen könne. Außerdem musste er damit rechnen, dass die Briten und Franzosen in jedem Moment eintreffen konnten, um Silistra zu helfen. Er wusste, dass die Zeit knapp wurde, doch er befahl einen letzten Angriff auf die Festungsstadt, den Gortschakow für die frühen Morgenstunden des 22. Juni vorbereitete. 14
    * * *
    Unterdessen versammelten die Briten und Franzosen ihre Heere in der Gegend von Warna. Seit Anfang April hatten sie ihre Streitkräfte bei Gallipoli an Land gebracht, um Konstantinopel vor einem möglichen Angriff der Russen zu schützen. Bald aber wurde deutlich, dass die Gegend eine so große Armee nicht ernähren konnte, weshalb die alliierten Truppen, nachdem sie mehrere Wochen nach knappen Vorräten gesucht hatten, ihre Lager in der Nachbarschaft der türkischen Hauptstadt aufschlugen. Schließlich zogen sie recht weit nach Norden zum Hafen Warna, wo sie von der französischen und der britischen Flotte versorgt werden konnten.
    Die beiden Heere errichteten angrenzende Lager auf den Ebenen über dem alten befestigten Hafen – und beäugten einander vorsichtig. Es war ein unbehagliches Bündnis. Zu viele Vorfälle in ihrer jüngeren Geschichte machten die Partner misstrauisch. Tatsächlich bezeichnete Lord Raglan, der hochbetagte Oberbefehlshaber der Briten, der während des Spanischen Unabhängigkeitskriegs von 1808–1814 als militärischer Sekretär des Herzogs von Wellington gedient und bei Waterloo einen Arm verloren hatte, *** des Öfteren nicht die Russen, sondern die Franzosen als Feind der Briten.
    Lord Raglan
    Von Anfang an hatte man sich über die Strategie gestritten: Die Briten bevorzugten eine Landung bei Gallipoli, um dann vorsichtig ins Landesinnere vorzurücken, während die Franzosen in Warna hatten landen wollen, um den russischen Vormarsch nach Konstantinopel zu verhindern. Außerdem hatten die Franzosen mit Bedacht vorgeschlagen, dass die Briten die Seekampagne, worauf sie sich am besten verstanden, leiten sollten, während sie selbst den Landfeldzug lenken würden, bei dem sie die Lehren aus ihrem Eroberungskrieg in Algerien anwenden konnten. Die Briten schauderte es jedoch bei dem Gedanken, Befehle von den Franzosen entgegenzunehmen. Sie misstrauten Marschall Saint-Arnaud, dem bonapartistischen Kommandeur der französischen Streitkräfte, dessen notorische Börsenspekulationen viele in den herrschenden Kreisen Großbritanniens vermuten ließen, dass er seine eigenen Interessen über die Sache der Alliierten stellen würde (Prinz Albert hielt es sogar für möglich, dass Saint-Arnaud fähig sei, sich von den Russen bestechen zu lassen). Solche Meinungen drangen zu den Offizieren und Soldaten durch. »Ich hasse die Franzosen«, schrieb Hauptmann Nigel Kingscote, der wie die meisten von Raglans Adjutanten auch einer seiner Neffen war. »Alle von Saint-Arnauds Stabsmitgliedern, mit ein oder zwei Ausnahmen, sind genau wie Affen, so straff wie möglich gegürtet und oben und unten prall wie Ballons.« 15
    Die Franzosen hielten ihrerseits nicht viel von ihren britischen Verbündeten. »Besuche im englischen Lager erfüllen mich mit Stolz darauf, dass ich Franzose bin«, teilte Hauptmann Jean-Jules Herbé seinen Eltern aus Warna mit.
    Die britischen Soldaten sind enthusiastische, starke und gut gebaute Männer. Ich bewundere ihre eleganten Uniformen, die sämtlich neu sind, und ihr erlesenes Verhalten, die Präzision und Regelmäßigkeit ihrer Manöver und die Schönheit ihrer Pferde, doch ihre große Schwäche besteht darin, dass sie viel zu sehr an den Komfort gewöhnt sind. Es wird schwierig sein, ihre zahlreichen Ansprüche zu befriedigen, wenn wir auf dem Marsch sind. 16
    Louis Noir vom ersten Bataillon der Zuaven, der während des Algerienkriegs gegründeten Elite-Infanterie, **** schilderte seinen kläglichen Eindruck von den britischen Soldaten in Warna. Er war besonders schockiert über die Auspeitschungen, die von den Offizieren häufig wegen Disziplinlosigkeit und Trunkenheit – beides verbreitete Probleme bei den Briten – verabreicht wurden. Dies erinnerte ihn an das alte, nun verschwundene französische Feudalsystem:
    Die englischen Anwerber schienen den Abschaum der Gesellschaft hervorgeholt zu haben, denn die unteren Klassen sind empfänglicher für ihre Geldangebote. Wären die Söhne der Wohlhabenderen einberufen worden, hätte man die Schläge, die

Weitere Kostenlose Bücher