Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)
durch die Krim, erklärte die Invasion zu einem »Religionskrieg« und verkündete, dass Russland eine »große und heilige Pflicht« habe, »den orthodoxen Glauben vor dem muslimischen Joch zu schützen«. 40
Am 26. September erreichten die alliierten Armeen das Dorf Kadikoi, von dem aus sie die Südküste sehen konnten. Am selben Tag wurde Saint-Arnaud von seiner Krankheit übermannt und übergab den Befehl an Canrobert. Ein Dampfer fuhr mit dem Marschall nach Konstantinopel, doch er starb unterwegs an einer Herzattacke, weshalb dasselbe Schiff seine Leiche zurück nach Frankreich brachte. Daneben übermittelte es die falsche Nachricht, die Belagerung von Sewastopol habe begonnen, woraufhin Cowley, der britische Botschafter in Paris, London informierte, dass die alliierten Armeen »den Ort wahrscheinlich« in ein paar Tagen »besetzt haben würden«. 41
In Wirklichkeit sollte die Belagerung erst drei Wochen später beginnen. Die Kühle des russischen Winters lag bereits in der Luft, als die Alliierten langsam ihr Lager auf dem Plateau errichteten, von dem aus man die Südseite Sewastopols überblickte. Ein paar Tage lang wurden beide Armeen über Balaklawa versorgt, einen schmalen Meeresarm, der von der See her kaum zu erkennen war, wäre nicht die Ruine der alten genuesischen Festung auf der Klippe gewesen. ******** Sehr bald jedoch stellte sich heraus, dass der Hafen für all die eintreffenden Segelschiffe zu klein war. Deshalb verlagerten die Franzosen ihren Stützpunkt zur Kamiesch-Bucht, die Balaklawa als Nachschubbasis übertraf, denn sie war viel größer und nicht so weit vom französischen Lager in Chersonnessos entfernt, jenen Ort, an dem Großfürst Wladimir die Kiewer Rus zum Christentum bekehrt hatte.
Am 1. Oktober stieg Hauptmann Herbé mit einer kleinen Gruppe französischer Offiziere auf die Anhöhe, um das nur zwei Kilometer entfernte Sewastopol näher in Augenschein zu nehmen. Mit ihren Feldstechern konnten sie »genug von diesem berühmten Ort sehen, um ihre Neugier zu befriedigen«, wie Herbé seinen Eltern am folgenden Tag schrieb:
Unten konnte man die Festungsanlagen erkennen, an denen eine große Anzahl von Männern mit Spitzhacken und Spaten zu arbeiten schienen. Man konnte sogar ein paar Frauen in den Arbeitergruppen ausmachen. Im Hafen waren mit Hilfe meines Fernrohrs einige Kriegsschiffe von trauriger Erscheinung, mit weißen Segeln an den Seiten, schwarzen Gangways und aus den Schießscharten ragenden Kanonen perfekt zu unterscheiden. Wenn es den Russen einfallen sollte, all diese Kanonen auf ihren Befestigungen zu platzieren, dürfen wir eine fröhliche Sinfonie erwarten! 42
* Das erste britische Opfer der Kämpfe war Sergeant Priestley von den 13. Leichten Dragonern, der ein Bein verlor. Er wurde nach England zurücktransportiert, wo ihm die Königin später ein Korkbein überreichte (A. Mitchell, Recollections of One of the Light Brigade [London 1885], S. 50).
** Nachdem Raglan den Angriffsbefehl erteilt hatte, war er unglaublicherweise vorangeritten, um die Aktion besser beobachten zu können. Er überquerte die Alma zusammen mit seinem Stab und bezog Position auf einem entblößten Vorsprung des Telegrafenhügels, weit vor den britischen Truppen und praktisch neben den russischen Plänklern. »Es ist wunderbar, wie wir entkommen sind«, schrieb Hauptmann Gage, ein Angehöriger von Raglans Stab, am folgenden Tag an der Alma. »Granaten explodierten dicht neben mir, Kanonenkugeln flogen rechts, links & über mir dahin. Minié- und Musketenschüsse pfiffen an meinen Ohren vorbei, Pferde & Reiter von Ld R’s Stab (wo ich war) stürzten tot & verwundet neben mir zu Boden & doch bin ich in relativer Sicherheit & kann kaum begreifen, was ich durchgemacht habe« ( NAM 1968–07–484–1, »Alma Heights Battle Field, Sept. 21st, 1854«).
*** Eine einzige Russin namens Daria Michailowa, die auf eigene Kosten einen Wagen und Sanitätsmaterial gekauft hatte, kümmerte sich um die Verwundeten. Daria war die 18-jährige Tochter eines Sewastopoler Seemanns, der in der Schlacht von Sinope gefallen war. Zur Zeit des Angriffs arbeitete sie als Wäscherin in der Marinegarnison von Sewastopol. Nach einer verbreiteten Legende verkaufte sie die gesamte Erbschaft ihres Vaters, erwarb Pferd und Wagen von einem jüdischen Händler, schnitt sich die Haare ab, verkleidete sich als Matrose und zog mit dem Heer an die Alma, wo sie Wasser, Lebensmittel und Wein an die Verwundeten verteilte. Um
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