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Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Titel: Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orlando FIGES
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durfte. Die Männer standen in ihren Steigbügeln und riefen: »Warum müssen wir hierbleiben?«, und im selben Moment trennten sie sich voneinander und preschten zurück durch unsere Reihen, um die zurückweichenden Russen zu verfolgen, aber diese waren zu weit entfernt, als dass wir sie einholen konnten. 26
    Mithin lag, als Lucan sich bei Nolan nach der Bedeutung von Raglans Befehl erkundigte, ein Hauch von Ungehorsam in der Luft. Nach dem Bericht, den er Raglan später erstattete, fragte Lucan den Adjutanten, wo er angreifen solle. Daraufhin habe Nolan »auf höchst respektlose, doch signifikante Art« geantwortet, wobei er auf das fernere Ende des Tals zeigte: »Dort, Mylord, ist Euer Feind; dort sind Eure Kanonen.« Laut Lucan hatte Nolan nicht auf die britischen Geschütze auf den Causeway-Höhen gedeutet, sondern auf die Batterie mit zwölf russischen Kanonen und die Hauptstreitmacht der Kosakenkavallerie am anderen Ende des Nordtals, zu dessen beiden Seiten, auf der Causeway- und der Fedjuchin-Höhe, die Russen über weitere Kanonen und Grenadiere verfügten. Lucan reichte den Befehl an Cardigan weiter, der darauf hinwies, wie wahnsinnig es sei, unter Artillerie- und Musketenfeuer von drei Seiten durch ein Tal zu jagen, doch Lucan bestand darauf, dass er den Befehl befolgte. Cardigan und Lucan (die Schwager waren) verabscheuten einander. Dies ist die von Historikern gewöhnlich vorgebrachte Erklärung dafür, warum sie sich nicht beratschlagten und eine Möglichkeit fanden, dem Befehl zu entgehen, der ihrer Meinung nach von Raglan erteilt worden war (es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass jemand Raglan nicht gehorchte). Aber es gibt auch Anzeichen dafür, dass Lucan einen Befehl nicht verweigern wollte, den die Männer der Leichten Brigade im Grunde begrüßten. Sie brannten darauf, den Kampf gegen die russische Artillerie aufzunehmen, und verloren womöglich die Disziplin, sollten sie von der Attacke abgehalten werden. Lucan selbst schrieb Raglan später, er habe dem Befehl deshalb gehorcht, weil »ich selbst und die Kavallerie [sonst] Verunglimpfungen ausgesetzt gewesen wären, gegen die wir uns nur mit Mühe hätten verteidigen können« – womit er gewiss Verunglimpfungen vonseiten seiner Männer und der übrigen Armee meinte. 27
    Die 661 Mann der Leichten Brigade rückten im Schritttempo durch das flach abfallende Nordtal vor. Die 13. Leichten Dragoner und die 17. Ulanen, geführt von Cardigan, bildeten die erste Reihe; ihnen folgten die 8. Husaren zusammen mit dem 4. (Queen’s Own) Regiment Leichter Dragoner. Bis zur Stellung des Feindes am Talende mussten 2000 Meter zurückgelegt werden, wofür die Leichte Brigade bei normaler Geschwindigkeit ungefähr sieben Minuten gebraucht hätte. Allerdings würde sie auf der gesamten Strecke rechts, links und frontal von Artillerie- und Musketenfeuer beschossen werden. Als die erste Reihe zu traben begann, galoppierte Nolan, der neben den 17. Ulanen dahinritt, mit gezogenem Säbel vorwärts und trieb die Männer den meisten Schilderungen zufolge mit Rufen an, obwohl es andererseits auch die Vermutung gibt, dass er seinen Fehler erkannte und die Leichte Brigade zu den Causeway-Höhen und vielleicht noch weiter zum Südtal umlenken wollte, wo sie vor den russischen Kanonen geschützt gewesen wäre. Wie auch immer, die erste von den Russen abgefeuerte Granate explodierte über Nolan und tötete ihn. Ob sie Nolans Beispiel folgten, durch ihren eigenen Eifer dazu veranlasst wurden oder das Flankenfeuer so rasch wie möglich hinter sich bringen wollten, ist nicht geklärt, doch die beiden Regimenter an der Spitze gingen, schon lange bevor sie den Befehl dazu erhielten, zum Galopp über. »Kommt schon«, brüllte einer der 13. Leichten Dragoner, »lasst euch nicht von den Scheißkerlen [den 17. Ulanen] überholen.« 28
    Während sie durch das Kreuzfeuer von den Hügeln her galoppierten, Kanonenkugeln den Boden aufwühlten und Musketen einen Geschosshagel abfeuerten, wurden Männer getroffen und Pferde brachen zusammen. »Der Knall der Gewehre und das Bersten von Granaten waren ohrenbetäubend«, erinnerte sich Sergeant Bond von den 11. Husaren.
    Auch der Rauch blendete uns fast. Pferde und Reiter stürzten in alle Richtungen, und die Tiere, die unverletzt blieben, waren so erschüttert, dass wir sie eine Zeitlang nicht geradeaus lenken konnten. Ein Mann namens Allread, der links von mir ritt, fiel wie ein Stein von seinem Pferd. Ich blickte mich um und sah den

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