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Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Titel: Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orlando FIGES
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Kontrolle und Disziplin.« Jedes französische Regiment hatte ein für die Grundbedürfnisse der Soldaten verantwortliches Personal: für die Lebensmittelversorgung und - zubereitung, die Behandlung der Verwundeten und so weiter. Ein Bäcker und mehrere Köche waren in jedem Regiment vorhanden, dazu vivandières und cantinières , das heißt Marketenderinnen, die eine modifizierte Regimentsuniform trugen und Nahrung und Getränke aus ihren mobilen Feldkantinen verkauften. Das Essen wurde gemeinschaftlich in den Regimentsküchen zubereitet, während im britischen Lager jeder Soldat seine individuelle Ration erhielt und sie selbst kochen musste. Dieser Unterschied macht deutlich, weshalb die Franzosen, verglichen mit den Briten, in der Lage waren, bei überraschend guter Gesundheit zu bleiben, obwohl sie nur die Hälfte der Rationen und ein Drittel der Fleischzuteilung ihrer Verbündeten erhielten. Erst im Dezember ging die britische Armee zum französischen System der massenhaften Essenszubereitung in Kantinen über, woraufhin sich ihre Lebensumstände sofort verbesserten. 11
    Eine cantinière in Zuaven-Uniform, 1855
    »C’est la soupe qui fait le soldat«, sagte Napoleon einmal. Suppe war das wichtigste Nahrungsmittel in den französischen Kantinen auf der Krim. Sogar mitten im Winter, als der Nachschub an Frischkost am kümmerlichsten war, konnten sich die Franzosen auf die fast ununterbrochene Lieferung von Trockennahrung verlassen: von Gemüse in Form von kleinen, harten Blöcken, denen man nur heißes Wasser hinzufügen musste, um, zusammen mit frischem oder konserviertem Fleisch, eine nahrhafte Suppe herzustellen; von Weizengebäck, das sich monatelang hielt und kalorienreicher war als gewöhnliches Brot, weil es weniger Wasser und mehr Fett enthielt; und von reichlichen Vorräten an Kaffeebohnen, ohne die ein französischer Soldat nicht leben konnte. »Kaffee, heiß oder kalt, war mein einziges Getränk«, entsann sich Charles Mismer, ein junger Dragoner. »Von seinen anderen Tugenden abgesehen, stimuliert Kaffee die Nerven und stärkt den Charakter – es ist der beste Schutz gegen Krankheit.« An vielen Tagen ernährten sich die Franzosen »von einer Art Suppe aus Kaffee und zerkleinertem Zwieback«, schrieb Mismer, wenngleich die Rationen »normalerweise aus Pökelfleisch, Schmalz und Reis, hin und wieder aus Frischfleisch, dazu Wein, Zucker und Kaffee bestanden; nur Brot fehlte manchmal, doch stattdessen gab es steinharte Zwiebäcke, die man mit einer Axt zermalmen oder zerschneiden musste«. 12
    All diese Lebensmittel waren jederzeit verfügbar, da die Franzosen ein effizientes Nachschubsystem mit gut organisierten Wagenzügen und Pflasterstraßen zwischen Kamiesch und den Belagerungslinien eingerichtet hatten. Der Hafen von Kamiesch war viel besser für das Ausladen von Vorräten geeignet als Balaklawa. Sehr bald gab es große Lagerhäuser, Schlachthöfe, Privatläden und Marktstände an der breiten, hufeisenförmigen Bucht, wo 300 Schiffe ihre Waren aus allen Teilen der Welt anliefern konnten. Dort fanden sich Bars und Bordelle, Hotels und Restaurants, darunter eines, in dem Soldaten einen Festpreis für eine dreitägige Orgie mit Speisen, Wein und Frauen (allesamt aus Frankreich) zahlten. »Ich bin nach Kamiesch gefahren«, ließ Herbé seine Familie wissen. »Es ist zu einer richtigen Stadt geworden.«
    Man findet hier, was man will; ich entdeckte sogar zwei Modegeschäfte, die Parfüms und Hüte aus Paris anboten – für die cantinières! Balaklawa habe ich ebenfalls besucht – was für ein kläglicher Vergleich! Die in dem kleinen Hafen aufgebauten Buden sind voll von Verkaufsartikeln, aber alles ist ungeordnet aufgestapelt, ohne jede Übersicht oder jeden Reiz für den Käufer. Es erstaunt mich, dass die Engländer Balaklawa statt Kamiesch zu ihrer Nachschubbasis gemacht haben. 13
    Balaklawa war ein überfüllter und chaotischer Hafen, in dem das Entladen von Regierungsgütern mit den Geschäften von Privathändlern fast jeder Nationalität aus dem Schwarzmeergebiet konkurrierte. Man stieß auf Griechen, Türken, Juden, Krimtataren, Rumänen, Armenier, Bulgaren und sogar einige Russen, die in dem Ort hatten bleiben dürfen. »Wenn jemand in Zukunft wünschen sollte, ein ›Modell von Balaklawa‹ in England zu errichten«, schrieb Fanny Duberly im Dezember, »werde ich ihm die erforderlichen Ingredienzen mitteilen.«
    Man nehme ein Dorf aus verfallenen Häusern und Hütten, so schmutzig, wie man

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