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Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Titel: Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orlando FIGES
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es sich nur vorstellen kann; man lasse den Regen in sie hineinströmen, bis das Ganze ein knöcheltiefer Sumpf aus Dreck ist; man besorge sich durchschnittlich 1000 an der Pest erkrankte Türken und stopfe sie wahllos in die Häuser. Man töte ungefähr 100 pro Tag und bestatte sie so, dass sie kaum mit Erde bedeckt sind, damit sie in aller Ruhe verwesen können – und man achte darauf, für Nachschub zu sorgen. Auf einen Teil des Strandes treibe man sämtliche erschöpften Ponys, sterbenden Ochsen und ausgelaugten Kamele und lasse sie verhungern. Das ist gewöhnlich nach etwa drei Tagen der Fall, wonach sie bald zu verfaulen beginnen und entsprechend riechen. Man sammle aus dem Wasser des Hafens sämtliche Abfälle der Tiere, die für die Besatzungen von über 100 Schiffen geschlachtet wurden, vom Konsum der Ortsbewohner gar nicht zu reden – diese Abfälle, zusammen mit der einen oder anderen dahintreibenden menschlichen Leiche, ganz oder zerstückelt, und mit dem Treibholz der Wracks bedecken das Wasser fast völlig –, und schmore alles in einem engen Hafen. Dann hat man eine passable Nachahmung des wahren Wesens von Balaklawa. 14
    Mit Balaklawa begannen die britischen Probleme erst. Vorräte konnten erst dann aus dem Hafen entfernt werden, wenn die Angestellten des Nachschubamts sie durch ein kompliziertes System von Formularen und Genehmigungen, sämtlich in dreifacher Ausfertigung, freigaben. Kisten mit Lebensmitteln und Heuballen lagen wochenlang am Kai herum und verfaulten schließlich, bevor sie von unfähigen Bürokraten identifiziert und zum Weitertransport zugelassen wurden. * Da die Briten versäumt hatten, eine brauchbare Straße von Balaklawa zu ihren Lagern auf den Anhöhen über Sewastopol zu bauen, mussten jede Kiste mit Kugeln, jede Decke und jeder Zwieback mit Pferden oder Maultieren 10 oder 11 Kilometer einen steilen, matschigen Pfad hinaufbefördert werden. Im Dezember und Januar schleppten die Männer Lasten von jeweils 35 Pfund auf die Hügel, da es kein Futter für die Tiere mehr gab, die rasch eingingen.
    Es war nicht nur eine Frage schlechter Organisation. Die britischen Soldaten verstanden es nicht, Nahrung zu beschaffen und für sich selbst zu sorgen. Da sie hauptsächlich unter den landlosen und städtischen Armen rekrutiert wurden, verfügten sie nicht über die bäuerlichen Kenntnisse und den Einfallsreichtum der französischen Soldaten, die Tiere jagen, in Flüssen und im Meer fischen und fast alles zu Essbarem machen konnten. »Es ist zur Gewohnheit des britischen Soldaten geworden«, schloss Louis Noir, »dass ihm jede Mahlzeit, wo immer er auch Krieg führt, aufgetischt werden sollte. Mit dem Starrsinn, der die Grundlage ihres Charakters ist, würden die Engländer lieber verhungern, als irgendeine ihrer Gepflogenheiten ändern.« In ihrer Hilflosigkeit waren die Briten darauf angewiesen, dass ihre Regimentsfrauen Lebensmittel besorgten und zubereiteten, Wäsche wuschen und alle möglichen anderen Hausarbeiten erledigten, welche die Franzosen selbst übernahmen – was die relativ hohe Zahl von Frauen in der britischen Armee erklärt (die Franzosen hatten keine Armeefrauen, sondern nur cantinières ). Marianne Young vom 28. Infanterieregiment klagte darüber, dass der englische Soldat »trotz seiner Rationen halb verhungert [war], weil er sie nicht mit Hilfe von drei Steinen und einem Blechtopf zu genießbaren Speisen machen konnte«, wohingegen es »praktisch nichts gab, was die Franzosen ablehnten, wenn es sich zu Nahrung machen ließ«. Sie fingen Frösche und Schildkröten, die »sie nach ihrem eigenen Geschmack zubereiteten«, gruben Schildkröteneier aus und betrachteten Ratten als Delikatesse. Der Arzt George Lawson sah, wie ein Soldat einem noch lebenden Frosch die Schenkel abschnitt, und machte ihm seine Grausamkeit zum Vorwurf, doch der Franzose »lächelte gelassen – vermutlich über meine Ignoranz – , klopfte sich auf den Bauch und sagte, sie seien für die Cuisine«. 15
    Dagegen ernährten die Briten sich schlecht, obwohl sie anfangs reichlich Fleisch und Rum besaßen. »Liebe Frau«, schrieb Charles Branton, ein Kanonier im 12. Bataillon der Royal Artillery und halber Analphabet, am 21. Oktober, »wir haben viele Leben wegen Corora verlorn sie sterben wie kranke Schaffe aber wir haben eine Mänge zu essen und zu trinken. Wir krigen 2 Gill Rum am Tag viel Pöckelfleisch und ein Fund und ½ Ziebak und ich kann dir versichern das es ein Geschenk Gotes wäre wenn

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