Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)
wir 4 Gill Rum häten.« Während der Herbst in den Winter überging, wurde es schwierig, das Versorgungssystem auf dem Schlammpfad von Balaklawa zum britischen Lager aufrechtzuerhalten, und die Rationen verringerten sich stetig. Von Mitte Dezember an gab es weder Obst noch Gemüse in irgendeiner Form – nur hin und wieder Zitronen- oder Limonensaft, den die Männer ihrem Tee und Rum hinzufügten, um Skorbut zu verhindern – , wenngleich Offiziere mit privaten Mitteln in den Läden von Balaklawa und Kadikoi Käse und Schinken, Schokolade und Zigarren, Wein, Champagner, ja fast alles kaufen konnten, sogar Geschenkkörbe von Fortnum & Mason. Tausende von Soldaten erkrankten und starben, beispielsweise an der Cholera, die sich mit neuer Wucht zurückmeldete. Im Januar verfügte die britische Armee nur noch über 11 000 kampffähige Männer, weniger als die Hälfte derjenigen, die zwei Monate zuvor unter Waffen gestanden hatten. Der Gemeine John Pine von der Schützenbrigade litt seit mehreren Wochen unter Skorbut, Ruhr und Durchfall, als er seinem Vater am 8. Januar schrieb:
Wir leben im Feld zumeist von Zwieback- und Salzrationen, hin und wieder erhalten wir frisches Rindfleisch, und ein- oder zweimal gab es Hammelfleisch, aber es ist so erbärmlich, dass man es keinem englischen Hund vorwerfen würde. Da es jedoch das Beste ist, was man hier draußen bekommt, müssen wir Gott dafür dankbar sein. Miriam [seine Schwester] teilt mir mit, dass eine Menge deutsche Würste für die Soldaten geliefert werden sollen. Ich wünschte, man würde sich beeilen und sie bald schicken, denn ich glaube wirklich, dass ich zurzeit zwei Pfund davon schaffen könnte … In den letzten fünf oder sechs Wochen hungere ich buchstäblich … Wenn Du, mein lieber Vater, mir in einem Brief ein paar Anti-Skorbut-Pülverchen schicken könntest, wäre ich Dir sehr verpflichtet, denn ich werde schwer von Skorbut geplagt, und ich werde Dir die Kosten später erstatten, falls es Gott gefällt, mich zu verschonen.
Pines Zustand verschlechterte sich, und man transportierte ihn ins Lazarett von Kulali bei Konstantinopel, wo er innerhalb eines Monats starb. Infolge der chaotischen Administration gab es keine Unterlagen über seinen Tod, und seine Familie erfuhr erst ein Jahr später von einem seiner Kameraden, was geschehen war. 16
Es dauerte nicht lange, bis die britischen Soldaten vollständig demoralisiert waren und anfingen, die Militärbehörden zu kritisieren. »Wir hier draußen hoffen sehr, dass man bald den Frieden verkündet«, schrieb Oberstleutnant Mundy vom 33. Regiment seiner Mutter am 4. Februar. »Es ist schön und gut, wenn die Leute zu Hause von den Kriegsbedingungen und dergleichen reden, aber jeder von uns hier hat genug von den Härten und davon, zusehen zu müssen, wie unsere Männer zu Tausenden durch reine Nachlässigkeit sterben.« Der Gemeine Thomas Hagger, der Ende November mit den Verstärkungen des 23. Regiments eintraf, informierte seine Angehörigen:
Leider muss ich sagen dass die Männer die vor mir hier gewesen sind schon seit zwei Monaten kein sauberes Hemdt haben Die Leute in der Heimat denken dass die Soldaten hier drausen gut versorgt werden aber leider muss ich sagen dass sie schlechter behandelt werden als Hunde bei uns zuhause Die Bewoner des alten England solten wissen wenn die Soldaten von hier heimkehren könnten würden sie sich nicht so leicht wieder herschiken lassen Wir haben keine Angst vorm kämpfen sondern es liegt an der schlechten Behandlung.
Andere schrieben an die Zeitungen, um die Versäumnisse der Armee bloßzustellen. Oberst George Bell vom 1. (Royal) Regiment verfasste am 28. November einen Brief an die Times :
Alle Elemente der Vernichtung sind gegen uns, Krankheit & Tod & Nacktheit & ungewisse Rationen Pökelfleisch. Nicht einen Tropfen Rum seit zwei Tagen, das einzige Hilfsmittel, das den Soldaten auf den Beinen hält. Wenn dies scheitert, ist es mit uns vorbei. Die Verbindung nach Balaklawa ist unmöglich, knietief für 6 Meilen. Räder bewegen sich nicht & die armen, jämmerlichen, hungernden Trosstiere haben nicht einmal die Kraft, ohne Ladung durch den Schlamm zu waten. Pferde – Kavallerie, Artillerie, Reitpferde von Offizieren & Trosstiere – sterben jede Nacht zu Dutzenden durch Kälte & Hunger an ihren Pflöcken. Schlimmer noch, die Männer fallen in furchtbaren Mengen um. An einem einzigen Tag sah ich neun Männer vom 1. Bat[aillon] des Royal Regt tot in einem einzigen Zelt
Weitere Kostenlose Bücher