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Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Titel: Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orlando FIGES
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liegen, und 15 weitere waren dem Tod nahe! Sämtlich Fälle von Cholera … Der Rücken der armen Männer ist nie trocken, ihre einzige Lumpenuniform hängt zerfetzt an ihrem Körper, jeden Abend ziehen sie nass bis auf die Haut in die Schützengräben, liegen dort bis zum Morgen in Wasser, Schlamm & Matsch, kehren mit Krämpfen in ein überfülltes, vom Sturm zerrissenes Lazarettzelt zurück, legen sich in einer stinkenden Atmosphäre hin, die schon allein dazu ausreicht, Ansteckungen hervorzubringen, & sterben dort qualvoll. Dies ist keine Romantik, und als Kommandeur habe ich die Pflicht, danach zu streben, die Leiden & Entbehrungen meiner bescheidenen, doch tapferen Kameraden zu lindern. Das kann ich nicht, ich habe keine Macht. Fast alles fehlt in dieser Krankenhausabteilung, die von Anfang an so schlecht eingerichtet wurde. Niemand klagt so häufig darüber wie die Sanitätsoffiziere der Regimenter & auch viele Stabsärzte.
    Am Ende seines Briefes, den Bell am folgenden Tag abschloss, fügte er eine private Mitteilung für den Herausgeber der Zeitung an, in der er ihn aufforderte, den Text zu veröffentlichen, und erklärte: »Ich fürchte mich, den wirklichen Stand der Dinge hier zu schildern.« Eine verwässerte Version des Briefes (datiert auf den 12. Dezember) erschien am 29. in der Times , doch auch das genügte, wie Bell später vermutete, um seine Karriere zu ruinieren. 17
    * * *
    Ebenfalls durch einen Bericht in der Times erfuhr die britische Öffentlichkeit zum ersten Mal von den unerträglichen Bedingungen, denen die Verwundeten und Kranken ausgesetzt waren. Am 12. Oktober wurden die Leser beim Frühstück von der Nachricht des Times -Korrespondenten in Konstantinopel, Thomas Chenery, überrascht, »dass keine ausreichenden medizinischen Vorkehrungen für die ordnungsgemäße Versorgung der Verwundeten getroffen worden sind«, die man von der Krim in das 500 Kilometer entfernte Lazarett in Scutari gebracht habe. »Es fehlt nicht nur an Ärzten – was, wie man vorbringen könnte, unvermeidlich ist – , sondern auch an Verbands- und Krankenschwestern – was ein Mangel des Systems sein könnte, für den niemand die Verantwortung trägt – , aber was lässt sich entgegnen, wenn man hört, dass nicht einmal Leinen für die Herstellung von Bandagen für die Verwundeten vorhanden ist?« Ein zorniger Leitartikel von Times -Herausgeber John Delane löste am folgenden Tag einen Strom von Briefen und Spenden aus und führte zur Gründung eines Times -Krim-Fonds für die Unterstützung der Kranken und Verwundeten durch Sir Robert Peel, den Sohn des früheren Premierministers. Viele Briefe verwiesen auf den Skandal, dass es der Armee auf der Krim an Krankenschwestern fehlte – ein Versäumnis, das verschiedene wohlmeinende Frauen nun beseitigen wollten. Zu ihnen gehörte Florence Nightingale, die unbezahlte Vorsteherin des Krankenhauses für behinderte Damen in der Harley Street, eine Freundin der Familie von Kriegsminister Sidney Herbert. In einem Brief machte sie Mrs Herbert am selben Tag das Angebot, eine Gruppe von Krankenschwestern für den Orient anzuwerben, an dem deren Mann mit genau dieser Bitte an Nightingale herantrat (die Briefe überkreuzten sich).
    Die Briten waren weit hinter den Franzosen zurück, was medizinische Vorkehrungen für die Kranken und Verwundeten betraf. Besucher der französischen Lazarette auf der Krim und in Konstantinopel waren beeindruckt von deren Sauberkeit und Ordnung. Krankenschwestern, hauptsächlich Nonnen aus dem Orden des heiligen Vinzenz von Paul, arbeiteten unter Aufsicht der Ärzte. »Wir fanden hier viel bessere Bedingungen vor als in Scutari«, schrieb eine englische Besucherin des Krankenhauses in Konstantinopel:
    Wir trafen auf mehr Reinlichkeit, Komfort und Aufmerksamkeit; die Betten waren bequemer und besser angeordnet. Die Belüftung war ausgezeichnet, und, soweit wir sehen und erfahren konnten, fehlte es an nichts. Die Obhut über einige der gefährlicher Verwundeten wird Barmherzigen Schwestern anvertraut, von denen ein Orden (der des heiligen Vinzenz von Paul) hier gegründet wurde. Der Mut, die Energie und Geduld dieser vortrefflichen Frauen sollen über jedes Lob erhaben sein. In Scutari war alles trübe und still. Grimmig und schrecklich wären fast noch bessere Bezeichnungen. Hier dagegen sah ich nur Leben und Frohsinn. Dies waren meine alten Freunde, die französischen Soldaten, die an ihren Betten Domino spielten, sich Papierzigaretten rollten oder

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