Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)
zutreffend beschrieben. Sie lachen über Schmerzen und fügen sich kaum dem Tod. Er ist ganz wunderbar, dieser Triumph des Geistes über den Körper. Wäre jemandem in der Heimat ein Arm oder Bein abgerissen oder zermalmt worden, hätte man ihn ohnmächtig und in einem Zustand des schrecklichen Zusammenbruchs ins Krankenhaus gebracht. Hier jedoch kommen sie mit einem baumelnden Arm oder einem durchlöcherten Ellbogen herbei und sagen nur: »Ganz schnell, Doktor, wenn ich bitten darf. So schlimm hat es mich nicht erwischt, dass ich nicht zurückkehren und zusehen kann!« Und viele dieser mutigen Burschen, ein in kaltem Wasser ausgewrungenes Handtuch um ihre Stümpfe gewickelt, krochen zur Etappe und beobachteten den Fortgang der Schlacht, während Granaten um sie herum explodierten und Kugeln die Soden zu ihren Füßen aufwirbeln ließen. Ich versichere Ihnen, und das ist die volle Wahrheit, dass ich einem Offizier, einem Hauptmann, den Fuß abgenommen habe, wonach er sich wieder aufs Pferd helfen ließ und erklärte, er könne weiterkämpfen, da sein »Fuß nun verbunden« sei. 25
Wie die Franzosen maß Pirogow der Rolle der Krankenschwestern hohe Bedeutung zu. Sie halfen, die Verwundeten einzuordnen, und spendeten ihnen Trost. Dazu verabreichten sie Medikamente, brachten den Männern Tee oder Wein, schrieben Briefe an ihre Angehörigen und leisteten den Sterbenden seelischen Beistand. Durch ihre Zuwendung gewannen die Krankenschwestern das Herz vieler Soldaten, die sie häufig mit ihren Müttern verglichen. »Es ist erstaunlich«, schrieb Pirogow seiner Frau, »wie die Anwesenheit einer hübsch gekleideten Frau unter den Helfern in einem Krankenhaus die Not der Männer und ihr Leid lindert.« Der Chirurg unterstützte die Initiativen russischer Damen von Adel, Krankenschwestern für die Krim anzuwerben. Großfürstin Jelena Pawlowna, die aus Deutschland stammende Schwägerin des Zaren, ** gründete kurz nach der Niederlage bei Inkerman die Gemeinschaft des heiligen Kreuzes. Die erste Gruppe von 34 Schwestern folgte Pirogow auf die Krim; sie traf am 1. Dezember nach einer langen, mühseligen Reise von St. Petersburg über tausend Kilometer unbefestigter Straßen in Simferopol ein. Die meisten waren Töchter, Frauen oder Witwen von Militärs, und einige stammten aus den Familien von Kaufleuten, Geistlichen und dem Kleinadel angehörenden Staatsbeamten. Natürlich hatten die Frauen keine Erfahrung mit den harschen Bedingungen einer Kampfzone, und viele waren bald selbst von Typhus und den anderen Epidemien betroffen, die unter den Männern wüteten. Pirogow teilte die Krankenschwestern in drei Gruppen: solche, die die Verwundeten versorgten und bei Operationen assistierten; solche, die Arzneien verabreichten; und solche, die für die allgemeine Haushaltsführung im Krankenhaus verantwortlich waren. Für Alexandra Stachowitsch, die dem Operationssaal zugewiesen wurde, war die erste Amputation eine schwere persönliche Prüfung, die sie jedoch bestand, wie sie ihre Familie wissen ließ:
Ich war bei zwei Operationen von Pirogow dabei. Bei der ersten amputierten wir einen Arm, bei der zweiten ein Bein. Durch Gottes Gnade wurde ich nicht ohnmächtig, denn bei der ersten, bei der wir den Arm abschnitten, musste ich den Rücken des armen Mannes halten und dann seine Wunde verbinden. Von meiner Kühnheit schreibe ich nur deshalb, damit Ihr versichert seid, dass ich vor nichts Angst habe. Wenn Ihr nur wüsstet, wie zufriedenstellend es sein kann, diesen leidenden Männern zu helfen – Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie hoch die Ärzte unsere Anwesenheit schätzen. 26
Auf der Krim selbst hatten sich Frauen aus verschiedenen Gemeinden zu Gruppen von Krankenschwestern zusammengeschlossen, um sich zu den Verbandsstationen und Feldlazaretten der Schlachtfelder um Sewastopol zu begeben. Unter ihnen war Dascha Sewastopolskaja, eine junge Frau, die sich um die Verwundeten an der Alma gekümmert hatte; sie half Pirogow im Operationssaal der Adelsversammlung. Eine andere war Jelisaweta Chlopotina, die Frau eines Batteriekommandeurs, der an der Alma eine Kopfverletzung davongetragen hatte; sie war ihrem Mann in die Schlacht gefolgt und machte sich am Verbandsplatz an der Katscha nützlich. Pirogow war voller Bewunderung für den Mut dieser Frauen und kämpfte energisch für die Entsendung weiterer Krankenschwestern, wobei er auf die Einwände des Militärestablishments stieß, das eine weibliche Präsenz unter den Soldaten
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