Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)
seine Fehler, vornehmlich über den katastrophalen Krieg, den er Russland durch seine impulsive Außenpolitik eingebrockt hatte, erfüllt war und dass er sich den Tod wünschte. Vielleicht meinte er, Gott nicht mehr auf seiner Seite zu haben. Vor seinem Tod rief der Zar den Thronfolger zu sich und bat ihn, der Armee und insbesondere den Verteidigern von Sewastopol mitzuteilen: »Ich habe immer versucht, mein Bestes für sie zu tun, und wenn ich gescheitert bin, dann nicht aus Mangel an gutem Willen, sondern aus Mangel an Wissen und Klugheit. Mögen sie mir verzeihen.« 50
Nikolaus wurde in Uniform in der Kathedrale der Peter-und-Paul-Festung beigesetzt, der Grabstätte aller russischen Herrscher seit Peter dem Großen. Kurz bevor man den Sargdeckel schloss, legte die Kaiserin ein silbernes Kreuz mit einer Abbildung der Kirche der heiligen Sophia in Konstantinopel auf Nikolaus’ Herz, »damit er im Himmel nicht vergaß, für seine Brüder im Orient zu beten«. 51
* Das Nachschubamt war so unfähig, dass es grüne, ungeröstete Kaffeebohnen bestellte – nicht Tee, das Lieblingsgetränk der Soldaten eines auf dem Teehandel beruhenden Imperiums. Für die meisten britischen Soldaten war es zu mühsam, den Kaffee zu rösten, zu mahlen und zuzubereiten, weshalb sie die Bohnen wegwarfen.
** Als Prinzessin Charlotte von Württemberg geboren, trat sie vor ihrer Trauung mit dem Großfürsten Michail Pawlowitsch 1824 der russisch-orthodoxen Kirche bei und erhielt den Namen Jelena Pawlowna.
*** Die Telegrafen waren für den militärischen Gebrauch vorgesehen, und Journalisten wurde nicht gestattet, sie durch lange Berichte zu blockieren, so dass eine Verzögerung zwischen dem Aufmacher einer Zeitung, der telegrafisch eintraf, und dem vollen Bericht entstand, der später per Dampfer ankam. Deshalb waren Falschmeldungen an der Tagesordnung: die berühmteste in der Times vom 2. Oktober 1854, in der man den Fall von Sewastopol auf der Grundlage der telegrafischen Mitteilungen über den Sieg an der Alma und von Russells erster Krim-Depesche ankündigte, welche die Landung der alliierten Soldaten beschrieb. Erst am 10. Oktober gelangte Russells vollständiger Bericht über die Schlacht an der Alma nach London, doch mittlerweile hatte man die Situation durch weitere Telegramme klargestellt.
**** Pfarrer Joseph Blakesley, der sich als »einen Amtsinhaber in Hertfordshire« bezeichnete, schrieb der Times so viele ausführliche Briefe, in denen er seine Kenntnisse über jedes mit dem Krieg verknüpfte Thema, vom Klima auf der Krim bis hin zum Charakter Russlands, darbot, dass er sich trotz seines Mangels an akademischen Qualifikationen einen Ruf als Volkshistoriker erwarb und zum Regius-Professor für Geschichte an der Universität Cambridge berufen wurde.
***** Die Gerüchte über Amerika entbehrten nicht ganz der Grundlage. Die öffentliche Meinung in den USA war während des Krimkriegs überwiegend prorussisch. Die nördlichen Abolitionisten sympathisierten mit den Westmächten, während der sklavenhalterische Süden eindeutig auf der Seite Russlands, einer Leibeigenengesellschaft, stand. Im Allgemeinen herrschte Mitgefühl mit Russland als Unterlegenem im Kampf gegen England, den alten imperialen Feind, zumal man befürchtete, dass Großbritannien nach einem Sieg über Russland geneigter sein würde, sich erneut in die Angelegenheiten der Vereinigten Staaten einzumischen. Die Beziehungen zwischen den USA und Großbritannien waren seit einigen Jahren gespannt, weil die Londoner Regierung die amerikanischen Gebietsansprüche gegenüber Kanada und die Pläne der USA zum Einmarsch auf Kuba ablehnte (Clarendon hatte dem britischen Kabinett erklärt, dass Amerika der Krieg erklärt werden müsse, falls es Kuba besetze). Die in Europa isolierten Russen knüpften während des Krimkriegs Beziehungen zu den USA . Sie wurden vereint durch ihren gemeinsamen Gegner – die Engländer – , obwohl es auf russischer Seite weiterhin Argwohn gegenüber den republikanischen Amerikanern und auf amerikanischer Seite gegenüber der despotischen Zarenmonarchie gab. Handelsverträge zwischen Russland und Amerika wurden unterzeichnet. Eine US -Militärdelegation (darunter George B. McClellan, der künftige Befehlshaber der Nordarmee im frühen Stadium des Bürgerkriegs) reiste nach Russland, um dessen Armee zu beraten. Amerikanische Bürger schickten Waffen und Munition nach Russland (der Waffenhersteller Samuel Colt bot sogar an, Pistolen und
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