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Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Titel: Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orlando FIGES
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vorlas: »Frieden wird dann geschlossen werden, wenn Kaiser Napoleon es wünscht.« 3
    Zar Alexander II .
    In diesen ersten Monaten des Jahres 1855 geriet Napoleon freilich unter immer größeren Druck durch seine britischen Verbündeten, sich auf einen ehrgeizigeren Krieg gegen Russland festzulegen. Palmerston, der neue Premierminister, forderte dies seit langem. Er wollte nicht nur den Marinestützpunkt Sewastopol zerstören, sondern die russische Macht in der Schwarzmeerregion sowie im Kaukasus, in Polen, Finnland und an der Ostsee verringern, indem er neue Verbündete gewann und Befreiungsbewegungen gegen die zaristische Herrschaft unterstützte. Dieser Angriff auf das Russische Reich ging weit über die Vier Punkte hinaus, welche die Briten und Franzosen mit den Österreichern 1854 als Grundlage für die alliierten Kriegspläne gegen Russland festgeschrieben hatten – Pläne, die von Aberdeens Koalitionsregierung sorgsam eingegrenzt worden waren. Während Aberdeen einen begrenzten Feldzug angestrebt hatte, um die Russen zu Verhandlungen über die Vier Punkte zu zwingen, war Palmerston entschlossen, die Kämpfe auf der Krim zu einem umfassenden Krieg gegen Russland in Europa und im Vorderen Orient auszuweiten.
    Fast ein Jahr zuvor, im März 1854, hatte Palmerston in einem Brief an das britische Kabinett sein »ideales Kriegsergebnis« umrissen:
    Die Åland-Inseln [in der Ostsee] und Finnland werden Schweden zurückgegeben. Einige der deutschen Provinzen Russlands an der Ostsee gehen an Preußen. Ein substanzielles Königreich Polen wird als Barriere zwischen Deutschland und Russland wiederhergestellt … Die Krim, Tscherkessien und Georgien werden Russland abgenommen; die Türkei erhält die Krim und Georgien, und Tscherkessien wird entweder unabhängig oder dem Sultan unterstellt. Solche Ergebnisse könnten freilich nur durch eine Verbindung von Schweden, Preußen und Österreich mit England, Frankreich und der Türkei erreicht werden und setzen entscheidende Niederlagen Russlands voraus. Aber sie zu erzielen ist nicht unmöglich, und sie sollten nicht völlig aus unseren Gedanken verbannt werden.
    Damals hatte das britische Kabinett Palmerstons ambitiöse Pläne mit großer Skepsis aufgenommen (wie erwähnt, hatte Aberdeen eingewandt, dass der Kontinent durch sie in einen neuen »Dreißigjährigen Krieg« verwickelt werden würde). Nun jedoch, da Palmerston als Premierminister amtierte, Russland geschwächt war und die Entbehrungen des Winters zu Ende gingen, schien die Aussicht auf einen größeren Krieg durchaus nicht unrealistisch zu sein. 4
    Hinter den Kulissen der britischen Regierung gab es mächtige Befürworter eines ausgeweiteten europäischen Krieges gegen Russland. So veröffentlichte Sir Harry Verney, der liberale Abgeordnete für Buckingham, * ein Pamphlet mit dem Titel Our Quarrel with Russia (Unser Streit mit Russland), das im Frühjahr 1855 weithin unter Diplomaten und Militärführern zirkulierte. Stratford Canning, der die darin vorgebrachten Gedanken offensichtlich begrüßte, schickte es Palmerston und Clarendon sowie Sir William Codrington zu, dem Kommandeur der Leichten Division, der bald zum Oberbefehlshaber der britischen Orientarmee aufsteigen sollte und unter dessen Papieren die Schrift noch zu finden ist. Verney meinte, dass Großbritannien sich größere Mühe geben solle, die Deutschen in den Krieg gegen Russland einzubeziehen. Deutschland habe viel von einer russischen Aggression zu befürchten, da Berlin nur ein paar Tagesmärsche von den Grenzen des Zarenreiches entfernt sei; durch seine überwiegend protestantische Bevölkerung habe es manches mit Großbritannien gemeinsam, und in strategischer Hinsicht bilde es die ideale Basis für einen Krieg, durch den der christliche Westen von der »barbarischen« Bedrohung durch Russland befreit werden könne. Mit Formulierungen, die man im üblichen Diskurs der europäischen Russophobie gut kannte, unterstrich Verney, dass die Russen »nach Osten, über den Dnepr hinweg zur asiatischen Steppe« getrieben werden müssten.
    Russland ist ein Staat, der keine Fortschritte auf geistigem oder gewerblichem Gebiet macht und es völlig unterlässt, einen nützlichen Einfluss auf die Welt auszuüben. Die Regierung, vom höchsten bis zum niedrigsten Amt, ist durch und durch korrupt. Sie stützt sich auf die Machenschaften von Agenten und auf die Berichte von hochbezahlten Spionen im In- und Ausland. Sie rückt in Länder vor, die kultivierter sind

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