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Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Titel: Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orlando FIGES
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und besser verwaltet werden als ihr eigenes, und strebt danach, diese auf ihr eigenes entwürdigendes Niveau herunterzuziehen. Sie lehnt die Verbreitung der Bibel und die Missionarstätigkeit ab … Die Griechen in der Türkei haben den christlichen Charakter so wenig gepflegt, dass sie dem Christentum mehr Schaden zugefügt haben, als es die Türken je vermochten; sie sind überall im türkischen Reich die Verbündeten, auf deren Hilfe die Russen angewiesen sind, um Geheiminformationen zu erhalten und um ihre Pläne auszuführen. Russland bemüht sich nur in den Künsten des Krieges um Vortrefflichkeit – dafür ist es bereit, jeden Betrag zu zahlen.
    Unser Wettstreit mit ihm geht um die Frage, ob die Welt Fortschritte, im höchsten Sinne des Wortes, in puncto Zivilisation mit all ihren kostbarsten Begleiterscheinungen erzielen soll. Von dieser Frage hängen religiöse, bürgerliche, gesellschaftliche und geschäftliche Freiheit ebenso ab wie das Reich der gesetzlichen Gleichbehandlung, eine mit Freiheit im Einklang stehende Ordnung, die Verbreitung von Gottes Wort und die Verkündung von Prinzipien, die in der Heiligen Schrift wurzeln. 5
    Napoleon hatte viel Verständnis für Palmerstons Absicht, mit Hilfe des Krieges neue Grenzen in Europa zu ziehen. Der antirussische Feldzug im Kaukasus, der hauptsächlich britischen Interessen diente, sagte ihm freilich weniger zu. Zudem hatte seine inländische Opposition nach dem Versäumnis der Armee, einen raschen Sieg zu erringen, alarmierende Ausmaße erreicht, was ihn zaudern ließ, Frankreich auf einen langen und unbefristeten Krieg festzulegen. Napoleon war hin- und hergerissen. Eigentlich neigte er dazu, sich auf die Krim zu konzentrieren, Sewastopol als Symbol für die Befriedigung von Frankreichs »Ehre« und »Prestige« zu erobern und dadurch sein Regime zu stärken, um schließlich den Krieg zu einem baldigen und »glorreichen« Ende zu bringen. In den Überlegungen des Kaisers tauchte andererseits immer wieder die Vision eines europäischen Befreiungskriegs nach dem Vorbild des großen Napoleon auf. Er liebäugelte mit der Hoffnung, dass die Franzosen ihre Begeisterung für den Krieg neu entdecken würden, wenn dieser den alten revolutionären Traum von einem aus demokratischen Nationalstaaten bestehenden Europa wiederaufleben ließ.
    Napoleon wollte dem Osmanischen Reich die Krim zurückgeben. Er befürwortete die italienische Unabhängigkeit nachdrücklich und glaubte, dass der Krieg eine Gelegenheit bot, den Österreichern seine Pläne aufzuzwingen, indem er ihnen als Entschädigung für den Verlust der Lombardei und Venetiens die Kontrolle über die Donaufürstentümer einräumte. Doch vor allem galt seine Sympathie der polnischen Sache, dem drängendsten Thema der französischen Politik. Seiner Ansicht nach konnten die Österreicher und Preußen wohl der Wiederherstellung eines unabhängigen Polen als Pufferstaat zwischen ihnen selbst und Russland zustimmen, dessen Expansionsdrang durch den Krieg bestätigt worden war. Deshalb wirkte er auf Palmerston ein, dass die Neuschöpfung eines polnischen Königreichs zur Vorbedingung von Friedensverhandlungen gemacht werden müsse. Die Briten befürchteten jedoch, die Wiederherstellung Polens werde die Heilige Allianz wiederbeleben und sogar Revolutionskriege in Italien und Deutschland auslösen. Wenn das geschah, würde Europa möglicherweise in eine neue Serie Napoleonischer Kriege verwickelt.
    All diese Faktoren trugen zum Scheitern der Wiener Konferenz bei, der diplomatischen Friedensinitiative, welche die Österreicher in den ersten Monaten des Jahres 1855 ergriffen hatten. Österreich hatte sich im Dezember zuvor dem Militärbündnis mit den westlichen Staaten angeschlossen, allerdings nicht mit dem Ziel, einen längeren Krieg gegen Russland zu fördern, der doch nur seine eigene Wirtschaft schädigen und seine slawischen Minderheiten aufstacheln konnte. Vielmehr hofften die Österreicher, ihr neues Bündnis zu nutzen, um die Briten und Franzosen unter ihrer eigenen Schirmherrschaft zu Friedensverhandlungen mit den Russen zu bewegen.
    Der Januar eignete sich gut für die Rückkehr zur Diplomatie. Durch das militärische Patt und die Nöte des Winters hatte sich der öffentliche Druck auf die westlichen Regierungen verstärkt, dem Krieg ein Ende zu setzen. Vor allem die Franzosen legten Wert darauf, die diplomatischen Möglichkeiten auszuloten. Altgediente Minister wie Drouyn und Thouvenal waren mittlerweile

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