Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)
Institutionen, religiösen und gesellschaftlichen Organisationen zusammenzuarbeiten, um Verbesserungen an der Basis zu bewirken. Derlei Gedanken waren sehr österreichisch und ließen in Whitehall die Alarmglocken läuten. Unter dem Druck der Franzosen und einer wachsenden Zahl von Befürwortern der österreichischen Initiative, darunter Prinz Albert, sah sich Palmerston plötzlich mit der Möglichkeit konfrontiert, einen Friedensvertrag unterzeichnen zu müssen, den er nicht wollte. Der Prinzgemahl war Anfang Mai zu der Überzeugung gelangt, dass eine diplomatische Allianz der vier Großmächte und Deutschlands eine bessere Sicherheitsgarantie für die Türkei und Europa sei als die Fortsetzung des Krieges gegen Russland.
Je länger die Wiener Gespräche dauerten, desto mehr wurde Palmerston in seiner Entschlossenheit bestärkt, sie abzubrechen und die Kämpfe in größerem Maßstab fortzuführen. Die Entscheidung über Krieg und Frieden hing aber letztlich von dem wankelmütigen Kaiser der Franzosen ab. Die entscheidende Frage war, ob er auf den Rat seines Außenministers Drouyn hören würde, der einen Friedensplan im Einklang mit den österreichischen Vorschlägen zur Begrenzung der russischen Flottenmacht im Schwarzen Meer empfahl, oder ob er sich von dem britischen Botschafter Lord Cowley überzeugen lassen würde, der ihm versicherte, dass die Vorschläge kein Ersatz für die Zerstörung der russischen Flotte seien und dass es einer nationalen Demütigung gleichkäme, einen Friedensvertrag vor der Erreichung dieses Ziels zu unterzeichnen. Das maßgebliche Treffen fand am 4. Mai in Paris statt, als Marschall Vaillant, der französische Kriegsminister, Cowley beipflichtete und betonte, was für eine Schande es wäre, den Frieden ohne militärischen Sieg zu akzeptieren; eine solche Situation könne gefährliche Folgen für die Armee und die politische Stabilität des Second Empire haben. Die Friedenspläne wurden abgelehnt, und Drouyn trat bald darauf zurück, während Napoleon sich widerwillig auf das Bündnis mit den Briten und das Projekt eines erweiterten Krieges gegen Russland festlegte. 7
Für solch einen Krieg herrschte kein Mangel an neuen Verbündeten. Am 26. Januar hatten Frankreich und Großbritannien ein militärisches Abkommen mit dem Königreich Sardinien-Piemont unterzeichnet, dem einzigen italienischen Staat, der sich der politischen Kontrolle durch Österreich entzogen hatte. Im Anschluss an das Abkommen wurden 15 000 Soldaten unter dem Kommando des italienischen Generals Alfonso La Marmora zur Krim entsandt, wo sie sich den Briten am 8. Mai anschlossen. Für Camillo Cavour, den piemontesischen Ministerpräsidenten, bot die Entsendung der Expeditionsstreitmacht eine Gelegenheit, ein Bündnis mit den Westmächten zu schmieden und die Sache der italienischen Vereinigung unter der Führung von Piemont voranzutreiben. Cavour befürwortete, ganz im Sinne Palmerstons, einen allgemeinen Krieg gegen Russland und die Heilige Allianz, um neue europäische Grenzen nach liberalem nationalem Muster ziehen zu können. Der Einsatz italienischer Soldaten war jedoch riskant, da die Briten und Franzosen offiziell keine Hilfe versprechen konnten, um die Österreicher nicht gegen sich aufzubringen (am 22. Dezember hatte Frankreich sogar einen Geheimvertrag mit Österreich unterzeichnet, in dem es sich bereit erklärte, den Status quo in Italien aufrechtzuerhalten, solange ihr Bündnis im Krieg gegen Russland bestand). Die Piemontesen konnten freilich erst dann realen Einfluss auf der internationalen Bühne ausüben, wenn sie den Westmächten ihre Nützlichkeit bewiesen, und da Österreich wahrscheinlich nicht als Kombattant in den Krieg eingreifen würde, war dies eine Gelegenheit für Piemont zu demonstrieren, dass es wertvoller als Österreich sein konnte. In der Tat waren die alliierten Befehlshaber der Meinung, dass die Sardinier »schmucke, gut aussehende Burschen« und erstklassige Soldaten seien. Ein französischer General, der sie bei Balaklawa an Land gehen sah, meinte, dass »alle gut versorgt und gepflegt, organisiert und diszipliniert und ganz frisch in ihren neuen, glänzenden dunkelblauen Uniformen« wirkten. 8 In der Folge benahmen sie sich auf der Krim vorbildlich und erwiesen sich als mutige Kämpfer.
Auch die Polen begrüßten den Gedanken an einen allgemeinen europäischen Krieg gegen Russland. Ermutigt von Adam Czartoryski und der Hôtel-Lambert-Gruppe, förderten die Franzosen und Briten die
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