Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)
Sewastopolja , 3 Bde. [St. Petersburg 1900], Bd. 3, S. 191).
****** Peto & Grissell, die Firma, die er zusammen mit seinem Cousin Thomas Grissell betrieb, errichtete viele bekannte Londoner Bauwerke, darunter den Reform Club, den Oxford & Cambridge Club, das Lyceum und die Nelsonsäule.
******* Dieser Vorfall führte zu der berühmten, von Totleben geprägten Wendung: »Die französische Armee ist eine Armee von Löwen, geführt von Eseln.« Der Satz wurde später zur Beschreibung der britischen Armee im Ersten Weltkrieg benutzt.
******** Ein etwa zwei Meter hoher und rund einen Meter breiter Verhau aus gefällten Bäumen, Bauholz und Reisig.
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Der Fall von Sewastopol
»Mein lieber Vater«, schrieb Pierre de Castellane, ein Adjutant von General Bosquet, am 14. Juli. »All meine Briefe sollten, glaube ich, mit den gleichen Worten beginnen: ›Nichts Neues‹, was bedeutet: Wir graben, wir organisieren unsere Batterien, und jeden Abend sitzen und trinken wir am Lagerfeuer; jeden Tag werden genug Männer für zwei Kompanien ins Krankenhaus gebracht.« 1
Nach dem Scheitern der Angriffe auf den Malachow und den Redan kehrte die Belagerung zur monotonen Routine des Schaufelns von Gräben und des Artilleriefeuers zurück, und nichts deutete auf einen Durchbruch hin. Nach neun Monaten dieses Stellungskriegs herrschte Erschöpfung auf beiden Seiten; alle hatten das demoralisierende Gefühl, die Pattsituation könnte sich endlos fortsetzen. Die Sehnsucht nach einem Ende des Krieges war so stark, dass alle möglichen Vorschläge zur Überwindung des toten Punktes gemacht wurden. Fürst Urussow, ein erstklassiger Schachspieler und ein Freund von Tolstoi, versuchte, Graf Osten-Sacken, den Befehlshaber der Garnison von Sewastopol, zu überreden, den Alliierten eine Herausforderung zu schicken: Man solle eine Schachpartie um den vordersten Schützengraben veranstalten, der viele Male den Besitzer gewechselt und mehrere Hundert Opfer gefordert hatte. Tolstoi schlug vor, den Krieg durch ein Duell zu entscheiden. 2 Obwohl es sich um den ersten modernen Krieg handelte, eine Generalprobe für die Grabenkämpfe des Ersten Weltkriegs, wurde er in einem Zeitalter ausgefochten, in dem sich noch einige Vorstellungen von Ritterlichkeit erhalten hatten.
Die Demoralisierung setzte den alliierten Soldaten sehr bald zu. Niemand glaubte, dass ein weiterer Angriff hohe Erfolgsaussichten hatte, denn die Russen bauten immer stärkere Verteidigungsanlagen, und die Männer befürchteten, einen zweiten Winter auf den Hügeln über Sewastopol verbringen zu müssen. Sämtliche Soldaten erwähnten in ihren Briefen nun den Wunsch heimzukehren. »Ich habe mich fest entschlossen, irgendwie in die Heimat zurückzukehren«, schrieb Oberstleutnant Mundy seiner Mutter am 9. Juli. »Ich kann und will keinen zweiten Winter ertragen. Ich weiß, dass ich sonst in einem Jahr ein hinfälliger alter Mann wäre, und ich möchte lieber ein lebendiger Esel als ein toter Löwe sein.« Die Soldaten beneideten ihre verwundeten Kameraden, die nach Hause transportiert wurden. Ein britischer Offizier erklärte: »Manch einer würde freudig einen Arm verlieren, um diese Anhöhen und diese Belagerung hinter sich zu lassen.« 3
Die Verzweiflung darüber, dass der Krieg nie enden würde, ließ viele den Sinn der Kämpfe in Frage stellen. Je länger das Gemetzel andauerte, desto mehr sahen sie in den Feinden leidende Soldaten wie sie selbst und desto sinnloser erschien alles. Der französische Militärgeistliche André Damas schilderte den Fall eines Zuaven, der mit religiösen Zweifeln am Krieg zu ihm gekommen sei. Man hatte den Zuaven (wie allen Soldaten) versichert, dass die Alliierten gegen »Barbaren« kämpften. Aber während der Waffenruhe zur Bergung der Toten und Verwundeten nach der Attacke vom 18. Juni hatte er einem schwer verletzten russischen Offizier geholfen. Zum Zeichen der Dankbarkeit hatte der Russe seinen Lederanhänger, in den das Bild der Madonna mit Kind eingeprägt war, abgenommen und ihn dem Zuaven geschenkt. »Dieser Krieg muss aufhören«, sagte der Zuave zu Damas. »Er ist feige. Wir alle sind Christen, wir alle glauben an Gott und die Religion, denn sonst wären wir nicht so mutig.« 4
Die Grabenkrankheit war in den Sommermonaten der größte Feind. Im zehnten Belagerungsmonat waren die Soldaten durch den ständigen Beschuss so zerrüttet und durch den Schlafmangel so erschöpft, dass viele nicht mehr mit den Umständen fertig werden konnten.
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