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Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Titel: Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orlando FIGES
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Frieden gewünscht habe und er den Krieg deshalb habe beenden müssen; andererseits wäre er, wenn Palmerston ihn zur Erneuerung des Krieges genötigt hätte, entschlossen gewesen, »erst dann Frieden zu schließen, wenn ein besseres Gleichgewicht für Europa hergestellt« worden wäre. 50
    Ungeachtet der Absichten des Kaisers nutzte sein Außenminister Walewski, der einen sofortigen Frieden nachdrücklich befürwortete, die Drohung, dass Napoleon einen Revolutionskrieg unterstützen werde, offenbar dazu, Großbritannien, Österreich und Russland auf der Basis der Vier Punkte an den Verhandlungstisch zu bringen. Napoleon beteiligte sich an diesem Spiel der Drohungen. Er schrieb an Walewski und Clarendon:
    Ich möchte Frieden. Wenn Russland der Neutralisierung des Schwarzen Meeres zustimmt, werde ich allen Einwänden Englands zum Trotz mit ihm Frieden schließen. Aber wenn im Frühjahr kein Ergebnis vorliegt, werde ich mich an die Nationalitäten wenden, vor allem an die Nation der Polen. Der Krieg wird dann nicht auf dem Prinzip der Rechte Europas, sondern auf dem der Interessen individueller Staaten beruhen.
    Napoleons Drohung mit einem Revolutionskrieg dürfte hohl gewesen sein, doch dies galt nicht für seine Ankündigung eines Separatfriedens mit Russland. Hinter der Aufnahme direkter Kontakte mit St. Petersburg stand die einflussreiche Partei, die vom Halbbruder des Kaisers, dem Duc de Morny, angeführt wurde. Dieser Eisenbahnspekulant betrachtete Russland als »Bergwerk, das von Frankreich ausgebeutet werden muss«. Im Oktober hatte Morny sich an Fürst Gortschakow gewandt, den russischen Botschafter in Wien und baldigen Außenminister, um ihm einen frankorussischen Handel anzubieten. 51
    Beunruhigt über diese französischen Initiativen, schalteten sich die Österreicher ein. Graf Buol, ihr Außenminister, trat an Bourqueney, den französischen Botschafter in Wien, heran. Zusammen mit Morny, der bei Gortschakow ermittelte, welche Bedingungen die Russen mutmaßlich akzeptieren würden, arbeiteten sie eine Reihe von Friedensvorschlägen aus, die Russland als österreichisches Ultimatum mit französischer und britischer Unterstützung »für die Integrität des Osmanischen Reiches« auferlegt werden sollten. Die frankoösterreichischen Bedingungen waren im Wesentlichen eine Neuformulierung der Vier Punkte, wenngleich Russland nun einen Teil Bessarabiens aufgeben sollte, damit es gänzlich von der Donau abgetrennt war. Zudem sollte die Neutralisierung des Schwarzen Meeres durch ein russisch-türkisches Abkommen statt durch einen allgemeinen Friedensvertrag erreicht werden. Obwohl die Russen die Vier Punkte bereits als Verhandlungsbasis akzeptiert hatten, wurde nun ein fünfter Punkt hinzugefügt, der den Siegermächten das Recht vorbehielt, auf der Friedenskonferenz »im Interesse Europas« weitere undefinierte Bedingungen geltend zu machen. 52
    Die französischen und österreichischen Friedensvorschläge trafen am 18. November in London ein. Die britische Regierung, die man lediglich über den Fortgang der österreichisch-französischen Vermittlungen informiert hatte, fühlte sich gekränkt durch die Art und Weise, wie die Vereinbarung zwischen den beiden katholischen Mächten zustande gekommen war, denn Palmerston argwöhnte, dass die vorgeschlagenen Bedingungen, die er auf jeden Fall ablehnen wollte, durch russischen Einfluss abgemildert worden seien. Von der Ostsee war keine Rede, und es gab keine Garantie gegen russische Aggressionen am Schwarzen Meer. »Wir halten uns an die großen Vertragsprinzipien, die für die künftige Sicherheit Europas erforderlich sind«, schrieb er am 1. Dezember an Clarendon. »Wenn die französische Regierung ihren Standpunkt ändert, wird sie die Verantwortung dafür tragen müssen und die Völker der beiden Länder werden darüber unterrichtet werden.« Clarendon ging wie immer behutsamer vor. Er befürchtete, Frankreich könnte einen Separatfrieden schließen und Großbritannien würde dann nicht in der Lage sein, allein weiterzukämpfen. Der Außenminister erwirkte ein paar geringfügige Zusätze – die Neutralisierung des Schwarzen Meeres würde durch einen allgemeinen Vertrag festgelegt werden, und der fünfte Punkt sollte »besondere Bedingungen« enthalten – , doch im Übrigen sprach er sich dafür aus, die französischen und österreichischen Vorschläge anzunehmen. Mit Hilfe der Königin überredete er Palmerston, sich auf den Plan einzulassen, zumindest vorläufig,

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