Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)
Versorgung im vorangegangenen Jahr erheblich verbessert hatten, hatte sich die Lage bei den Franzosen verschlechtert, da es an Mitteln fehlte, der erhöhten Nachfrage durch die wachsende Zahl von Soldaten auf der Krim gerecht zu werden.
Unter diesen Umständen war es unrealistisch für Napoleon weiterzukämpfen. Er konnte die Aktivitäten bis zum folgenden Frühjahr einstellen und hoffen, dass sich seine Armee bis dahin erholt haben würde. Aber die Moral unter den Soldaten sank in bedenklichem Maße, wie aus ihren Heimatbriefen hervorging, und sie würden sich nicht mit einem weiteren Winter auf der Krim abfinden. So schrieb etwa Hauptmann Charles Thoumas am 13. Oktober, dass eine Rebellion nicht auszuschließen sei, wenn die Armee nicht bald nach Frankreich zurückgeholt werde. Frédéric Japy, ein Zuaven-Leutnant, glaubte ebenfalls, dass die Soldaten sich gegen ihre Offiziere erheben würden, denn sie seien nicht bereit, einen Krieg fortzusetzen, der, wie sie nun meinten, hauptsächlich britischen Interessen diene. Henri Loizillon befürchtete, die Franzosen würden durch einen neuen Feldzug in einen endlosen Krieg gegen ein Land verwickelt werden, das seiner schieren Größe wegen nicht zu besiegen sei. Diese Lektion hätte man seiner Ansicht nach bereits im Jahr 1812 lernen müssen. 48
Die öffentliche Meinung in Frankreich würde den Feldzug nicht viel länger unterstützen. Die französische Wirtschaft war durch den Krieg stark in Mitleidenschaft gezogen worden: Der Handel war zurückgegangen; in der Landwirtschaft herrschte Arbeitskräftemangel infolge der Einberufungen, durch die bereits 310 000 Franzosen auf die Krim geschickt worden waren; und in den Städten kam es zu Engpässen bei der Lebensmittelversorgung, die sich im November 1855 weithin bemerkbar machten. Laut den Berichten der Präfekten und Bevollmächtigten drohten Bürgerunruhen, wenn der Krieg im Winter fortdauerte. Sogar die Provinzpresse, die 1854 am lautesten nach dem Krieg gerufen hatte, wollte ihn nun beendet sehen. 49
Der auf öffentlichen Druck stets sensibel reagierende Napoleon verbrachte den Herbst damit, nach einer Möglichkeit zur Beendigung des Krieges zu suchen, mit der er die Briten nicht gegen sich aufbringen würde. Er war darauf bedacht, den »glorreichen Sieg«, symbolisiert durch den Fall von Sewastopol, politisch maximal zu nutzen, aber er wollte sein Bündnis mit Großbritannien, den Grundpfeiler seiner Außenpolitik, nicht gefährden. Napoleon lehnte die Idee eines umfassenderen Kriegs nicht grundsätzlich ab, und er war aufgeschlossen für Palmerstons Vision, mit Hilfe des Kriegs gegen Russland die europäischen Grenzen neu zu ziehen; er wollte dabei nationale Revolutionen fördern, um das System von 1815 zu beenden und Frankreich auf Kosten Russlands und der Heiligen Allianz eine beherrschende Position auf dem Kontinent zu verschaffen. Es widerstrebte ihm jedoch, sich an einem Feldzug gegen Russland im Kaukasus und in Kleinasien zu beteiligen, womit in erster Linie britischen Interessen gedient war. Nach Napoleons Ansicht konnte er die Fortsetzung eines groß angelegten Kriegs gegen Russland nur dann rechtfertigen, wenn sich seine großen Träume für den europäischen Kontinent verwirklichen ließen. Am 22. November schrieb er an Königin Viktoria und nannte drei Möglichkeiten: einen begrenzten, defensiven Zermürbungskrieg; Friedensverhandlungen auf der Grundlage der Vier Punkte; oder einen »Appell an alle Nationalitäten, die Wiederherstellung Polens, die Unabhängigkeit Finnlands und Ungarns«. Napoleon erklärte, er persönlich bevorzuge den Frieden, doch er sei bereit, über die Möglichkeit eines größeren europäischen Krieges zu sprechen, falls Großbritannien einen Frieden im Einklang mit den Vier Punkten nicht für akzeptabel halte. »Ich könnte eine Strategie verstehen«, schrieb er Viktoria, »die eine gewisse grandeur hätte und die angestrebten Ergebnisse auf ein Niveau mit den zu bringenden Opfern stellen würde.«
Napoleons Vorschlag war aller Wahrscheinlichkeit nach unaufrichtig – ein geschicktes Manöver, um die Briten zur Teilnahme an Friedensgesprächen zu bewegen. Er wusste, dass sie einen nationalen Befreiungskrieg à la Napoleon auf dem Kontinent nicht dulden würden. Gleichwohl gibt es Anzeichen dafür, dass er sich mit dem umfassenderen Krieg einverstanden erklärt hätte, wäre er von Palmerston gezwungen worden, Farbe zu bekennen. 1858 sollte er Cowley mitteilen, dass Frankreich
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