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Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Titel: Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orlando FIGES
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Ausdruck und öffnete seine Küstenvillen für die alliierten Befehlshaber, doch die westlichen Soldaten zeigten nicht den gleichen Respekt für das türkische Volk und die türkischen Gräber. Die Alliierten hinderten türkische Streitkräfte daran, an den Küsten des Kaukasus zu landen [um Schamils Krieg gegen die Russen zu unterstützen], denn dies widersprach ihren nationalen Interessen. Kurz gesagt, türkische Soldaten legten alle Anzeichen von Selbstlosigkeit an den Tag und vergossen ihr Blut an sämtlichen Fronten des Krimkriegs, doch unsere westlichen Verbündeten beanspruchten den ganzen Ruhm für sich selbst. 22
    * * *
    Die Nachwirkung des Krieges in Großbritannien war nur vergleichbar mit seinen Auswirkungen auf Russland, wo die Ereignisse eine bedeutende Rolle bei der Ausformung der nationalen Identität spielten. Allerdings handelte es sich um eine widersprüchliche Rolle: Der Krieg wurde natürlich als schreckliche Demütigung empfunden, die tiefen Groll gegenüber dem Westen auslöste, weil er die Partei der Türken ergriffen hatte. Aber man verspürte auch Nationalstolz auf die Verteidiger von Sewastopol, denn ihre Opfer und die christlichen Motive, für die sie gekämpft hatten, schienen die Niederlage in einen moralischen Sieg verwandelt zu haben. Diesen Gedanken formulierte der Zar in seinem Manifest an die Russen, nachdem er vom Fall Sewastopols erfahren hatte:
    Die Verteidigung von Sewastopol ist beispiellos in den Annalen der Militärgeschichte, und sie hat die Bewunderung nicht nur Russlands, sondern ganz Europas auf sich gezogen. Die Verteidiger sind ihres Platzes unter den Helden würdig, die unserem Vaterland Ruhm gebracht haben. Elf Monate lang widerstand die Garnison von Sewastopol den Angriffen eines stärkeren Feindes auf unsere Heimat, und in allem zeichnete sie sich durch außerordentliche Tapferkeit aus … Ihre mutigen Taten werden unseren Streitkräften stets als Ansporn dienen, denn auch sie glauben an die Vorsehung und an die Heiligkeit der Sache Russlands. Der Name der Stadt Sewastopol, die so viel Blut geopfert hat, wird unsterblich sein, und das Gedenken an ihre Verteidiger wird nie aus unseren Herzen weichen, ebenso wenig wie das Gedenken an jene russischen Helden, die auf den Schlachtfeldern von Poltawa und Borodino kämpften. 23
    Der Heldenstatus von Sewastopol verdankte sich in hohem Maße dem Einfluss von Tolstois Sewastopoler Erzählungen , die 1855/56 von nahezu der ganzen gebildeten russischen Öffentlichkeit gelesen wurden. Durch sie wurde die Stadt in der nationalen Vorstellungskraft zum Mikrokosmos jenes speziellen »russischen « Geistes der Widerstandsfähigkeit und des Mutes, der das Land immer gerettet hatte, wenn ein ausländischer Feind einmarschiert war. Wie Tolstoi gegen Ende der Erzählung »Sewastopol im Dezember « – verfasst im April 1855, auf dem Höhepunkt der Belagerung – schrieb:
    Somit haben Sie also die Verteidiger Sewastopols unmittelbar am Ort der Verteidigung gesehen und kehren zurück, ohne merkwürdigerweise den Geschossen und Kugeln, die Sie weiterhin auf dem ganzen Weg bis zum zerstörten Theater umschwirren, die geringste Beachtung zu schenken: Sie kehren ruhig, gehobenen Geistes zurück. Das Wichtigste und Beglückendste, was Sie mitbringen, ist die Überzeugung, daß es unmöglich sei, Sewastopol zu erobern, und darüber hinaus, daß es überhaupt unmöglich sei, die Kraft des russischen Volkes, wo auch immer, zu erschüttern. Diese Unmöglichkeit haben Sie nicht beim Anblick der zahllosen Traversen und Brustwehren, des raffiniert ausgeklügelten Netzes von Laufgräben, Minen und übereinander aufgebauten schweren Geschützen erkannt, wovon Sie nichts verstanden haben, sondern an den Augen, den Reden, der Haltung, an dem, was man den Geist der Verteidiger Sewastopols nennt. Das, was sie tun, tun sie mit einer solchen Selbstverständlichkeit, mit so wenig Anstrengung und Anspannung, daß Sie zu der Überzeugung gelangen, diese Menschen könnten noch hundertmal mehr, könnten alles vollbringen. Sie begreifen, daß das Gefühl, das sie ihr Werk tun läßt, nicht jenes kleinliche, von Eitelkeit und Gedankenlosigkeit bestimmte Gefühl ist, das Sie selbst empfunden haben, sondern ein andersartiges, mächtigeres Gefühl, das aus ihnen Menschen gemacht hat, die unter ständigem Beschuß und angesichts Hunderter Todesmöglichkeiten ebenso ruhig leben wie angesichts des eigenen Todes, dem alle Menschen ausgesetzt sind, und die unter solchen

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