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Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Titel: Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orlando FIGES
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Wirtschaft modernisiert, ihr als Lieferantin von Rohbaumwolle für die Textilmühlen von Großbritannien Zugang zum Weltmarkt verschafft und sogar Fabriken gebaut, hauptsächlich um sein großes Heer zu versorgen. In vieler Hinsicht wurde sein Einmarsch in Syrien dadurch ausgelöst, dass er die Basis seiner Anbaufrüchte erweitern musste, da ägyptische Exporte durch Wettbewerber in der globalisierten Wirtschaft unter Druck gerieten. Mehmet stand freilich auch für eine mächtige religiöse Wiedererweckung unter muslimischen Traditionalisten und für eine Alternative zu der kulanteren religiösen Führerschaft des Sultans. Er gab seinem Heer den Namen Cihadiye – Dschihadisten. Laut zeitgenössischen Beobachtern hätte Mehmet Ali, wäre er der türkischen Hauptstadt habhaft geworden, ein »neues muslimisches Reich« errichtet, das sich den zunehmenden Eingriffen der christlichen Mächte im Nahen Osten widersetzt hätte. 24
    Der Sultan bat die Briten und die Franzosen um Hilfe, doch beide zeigten wenig Interesse, weshalb er sich in seiner Verzweiflung an den Zaren wandte. Dieser ließ sofort sieben Schiffe mit 40000 Mann in See stechen, welche die türkische Hauptstadt gegen die Ägypter verteidigen sollten. Die Russen hielten Mehmet Ali für eine französische Marionette, die eine beträchtliche Gefahr für ihre Interessen in Vorderasien darstellte. Seit 1830 widmeten sich die Franzosen der Eroberung des osmanischen Algerien. Sie verfügten über das einzige Heer in der Region, das sich den Russen entgegenstellen konnte. Diese waren zudem beunruhigt über Berichte ihrer Agenten, wonach Mehmet Ali versprochen habe, »die einstige Größe des muslimischen Volkes wiederaufleben zu lassen« und Rache an Russland für die Demütigung zu nehmen, welche die Türken 1828/29 erlitten hätten. Die Agenten äußerten die Besorgnis, dass sich der ägyptische Führer nur mit »der Eroberung ganz Kleinasiens« und der Gründung eines neuen islamischen Reiches anstelle des Osmanischen zufriedengeben werde. Statt mit einem schwachen Nachbarn werde Russland es dann mit einer starken islamischen Bedrohung an seiner südlichen Grenze zu tun haben – mit einem Staat, der auch noch intensive religiöse Beziehungen zu den muslimischen Stämmen des Kaukasus unterhalte. 25
    Alarmiert durch die russische Intervention, verlegten die Briten und Franzosen ihre Flotten in die Besika-Bucht, knapp jenseits der Dardanellen, und vermittelten im Mai 1833 eine als Konvention von Kütahya bekannte Vereinbarung zwischen Mehmet Ali und den Türken. Darin erklärte sich der ägyptische Führer bereit, seine Soldaten im Austausch für Kreta und den Hijaz (in West-Anatolien) zurückzuziehen. Ibrahim wurde zum Gouverneur auf Lebenszeit von Syrien ernannt, doch Mehmet Alis Hauptforderung nach einem Erbkönigreich für sich selbst in Ägypten blieb unerfüllt. Voller Enttäuschung brannte er darauf, den Krieg gegen die Türken fortzusetzen, sobald sich eine neue Chance bot. Die Briten verstärkten ihre levantinische Flotte und versetzten sie in Alarmbereitschaft, damit sie dem Sultan helfen konnte, falls Mehmet Ali ihn erneut bedrohte. Ihr Erscheinen reichte aus, um die Russen zum Rückzug zu zwingen, doch vorher gelang es ihnen, dem Sultan wichtige neue Zugeständnisse abzupressen. Dies geschah durch den im Juli 1833 unterzeichneten Vertrag von Unkiar-Skelessi, in dem die Rolle Russlands bei der Rettung des Osmanischen Reiches anerkannt wurde. Im Wesentlichen bestätigte der Vertrag die russischen Gewinne von 1829, er enthielt aber auch eine Geheimklausel, die der Türkei militärischen Schutz für das Versprechen garantierte, die Meerengen auf Verlangen Russlands für ausländische Kriegsschiffe zu schließen. Die Klausel hatte zur Folge, dass die britische Marine vom Schwarzen Meer ferngehalten wurde, das nun die Russen kontrollierten. Wichtiger jedoch war, dass die Russen dadurch ein exklusives juristisches Recht beanspruchten, sich in osmanische Angelegenheiten einzumischen. 26
    Briten und Franzosen erfuhren bald von der Geheimklausel, denn türkische Amtsträger ließen die Information durchsickern. Die westliche Presse zeigte sich empört und äußerte sogleich die Vermutung, dass die Russen nicht nur das Recht erlangt hätten, die Meerengen für andere Staaten zu schließen, sondern auch die Befugnis, sie für ihre eigenen Kriegsschiffe offen zu halten. Auf diese Weise würde Russland in der Lage sein, eine große Streitmacht am Bosporus abzusetzen

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