Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)
zu einem russischen Protektorat werden konnte, brachten sie der Türkei ein aktives Interesse entgegen. Sie mischten sich immer häufiger in osmanische Angelegenheiten ein und forderten wirtschaftliche und politische Reformen in der Hoffnung, dass das Osmanische Reich dadurch gesunden und sie ihren Einfluss erweitern könnten.
Die Interessen Großbritanniens waren in erster Linie kommerzieller Art. Das Osmanische Reich stellte einen wachsenden Markt für die Waren britischer Exporteure und eine wertvolle Rohstoffquelle dar. Als vorherrschende Industriemacht der Welt arbeitete Großbritannien im Allgemeinen auf die Erschließung der globalen Märkte für den freien Handel hin; als dominierende Seemacht war es bereit, ausländische Regierungen mit Hilfe seiner Flotte zur Öffnung der Märkte zu zwingen. Dabei handelte es sich um ein »informelles Reich«, um einen »Imperialismus des Freihandels«, in dem die Militärmacht und der politische Einfluss Großbritanniens seine wirtschaftliche Hegemonie festigten und die Unabhängigkeit ausländischer Regierungen auch ohne die direkte Einwirkung imperialer Herrschaft beschnitten.
Nirgends war dies offensichtlicher als im Osmanischen Reich. Ponsonby bemühte sich nach Kräften, die wirtschaftlichen Vorzüge des verstärkten britischen Einflusses auf Konstantinopel hervorzuheben. »Der Schutz unserer politischen Interessen«, schrieb der Botschafter 1834 an Palmerston, »wird Quellen geschäftlichen Wohlstands erschließen, wie sie von unserem Umgang mit irgendeinem anderen Land der Welt wohl kaum zu erhoffen wären.« Inzwischen gab es eine große und mächtige Gruppe britischer Händler mit breit gefächerten Geschäftsinteressen in der Türkei, die wachsenden Druck ausübten, damit die Regierung sich einschaltete. Ihr Standpunkt kam in einflussreichen Zeitschriften zum Ausdruck, etwa in Blackwood’s und der Edinburgh Review , die beide von der Finanzierung durch die Händler abhingen. Ihre Meinung fand Widerhall bei den Turkophilen, zum Beispiel bei David Urquhart, dem Leiter einer geheimen Handelsdelegation von 1833 in die Türkei, der in der Entwicklung der osmanischen Wirtschaft ein enormes Potenzial für den britischen Außenhandel sah. »Der Fortschritt der Türkei«, schrieb Urquhart im Jahr 1835, »dürfte sie, sofern er nicht durch politische Ereignisse gestört wird, in ein paar Jahren zum größten Markt der Welt für englische Fabrikanten werden lassen.« 28
Im Jahr 1838 drängte Großbritannien der Hohen Pforte durch eine Reihe militärischer Drohungen und Versprechungen ein Zollabkommen auf, welches das Osmanische Reich de facto in eine Freihandelszone verwandelte. Ihrer Zolleinnahmen beraubt, hatte die Hohe Pforte erhebliche Schwierigkeiten, ihre erst im Entstehen begriffenen Gewerbe zu schützen. Danach stieg der Export britischer Industriegüter in die Türkei steil an. Bis 1850 wuchs er um das Elffache, was das Land zu einem der wertvollsten britischen Exportmärkte machte (übertroffen nur von den Hansestädten und den Niederlanden). Nach der Aufhebung der protektionistischen Korngesetze im Jahr 1846 erhöhten sich auch umgekehrt die Importe von Getreide aus der Türkei, hauptsächlich aus der Moldau und der Walachei. Durch das Aufkommen von Ozean- und Flussdampfern sowie Eisenbahnen ließ sich die Donau zum ersten Mal in größerem Stil als Handelsweg nutzen. Den Flusshandel prägten britische Handelsschiffe, die Getreide nach Westeuropa exportierten und Industrieerzeugnisse aus Großbritannien importierten. Die Briten befanden sich in direktem Wettbewerb mit den Händlern von Odessa, Taganrog und anderen Schwarzmeerhäfen, von denen aus das Getreide der Kornkammern in der Ukraine und in Südrussland nach Westen gelangte. Der Getreideexport spielte eine immer größere Rolle für Russland, da der Wert seines Holzhandels im Dampfzeitalter zurückging. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts wickelten die Schwarzmeerhäfen ein Drittel sämtlicher russischen Exporte ab. Da die Russen das Donaudelta nach 1829 unter Kontrolle hatten, versuchten sie, ihren eigenen Händlern Vorteile gegenüber deren britischen Konkurrenten zu verschaffen, indem sie ausländische Schiffe zeitraubenden Quarantänevorschriften unterwarfen und die Donau sogar versanden ließen, so dass sie unbefahrbar wurde.
An der Ostküste des Schwarzen Meeres konzentrierten sich die kommerziellen Interessen Großbritanniens immer mehr auf den Hafen Trapesunt in der nordöstlichen Türkei, über
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