Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)
revolutionärer Stimmungen geworden sei. Infolge dieser Teilungen hatte das polnische Königreich mehr als zwei Drittel seines Territoriums verloren. Aus verzweifelter Sorge, ihre Unabhängigkeit nie wiederzuerlangen, wandten sich die Polen 1806 Napoleon zu, nur um zu erleben, dass ihre Gebiete nach seiner Niederlage erneut zerstückelt wurden. Im Jahr 1815 schufen die europäischen Mächte durch den Vertrag von Wien Kongresspolen (dessen Fläche ungefähr jener des napoleonischen Herzogtums Warschau entsprach) und unterstellten es dem Zaren mit dem Vorbehalt, dass er die konstitutionellen Freiheiten Polens wahrte. Alexander erkannte die politische Autonomie des neuen Staates jedoch nie zur Gänze an – es war schließlich viel verlangt, die Autokratie in Russland und den Konstitutionalismus in Polen miteinander zu verbinden – , und die unterdrückerische Herrschaft von Nikolaus I. sorgte dann weiter dafür, dass sich viele Polen empörten. Während der zwanziger Jahre verstieß Russland immer wieder gegen die Vertragsbedingungen: Es schränkte die Freiheit der Presse ein, verhängte eigenmächtig Steuern und nutzte Sondervollmachten, um die liberalen Gegner der Zarenherrschaft zu verfolgen. Das Fass lief im November 1830 über, als der Vizekönig von Polen und Bruder des Zaren, Großfürst Konstantin, polnische Soldaten zur Niederschlagung der Revolutionen in Frankreich und Belgien einziehen wollte.
Der Aufstand begann damit, dass eine Gruppe polnischer Offiziere an der russischen Militärakademie in Warschau gegen den Befehl des Großfürsten rebellierte. Die Offiziere entwendeten Waffen aus ihrer Garnison und attackierten den Belvedere-Palast, den Hauptwohnsitz des Großfürsten, dem es jedoch gelang (in Frauenkleidung) zu entkommen. Die Rebellen besetzten das Warschauer Arsenal und vertrieben, unterstützt von bewaffneten Zivilisten, die russischen Einheiten aus der Hauptstadt. Das polnische Heer schloss sich dem Aufstand an, eine provisorische Regierung mit Fürst Adam Czartoryski an der Spitze wurde eingesetzt und ein nationales Parlament einberufen. Die Radikalen, welche die Kontrolle übernahmen, riefen einen Befreiungskrieg gegen Russland aus, hielten im Januar 1831 eine Zeremonie zur Entthronung des Zaren ab und verkündeten die polnische Unabhängigkeit. Innerhalb von Tagen nach der Proklamation überschritt das russische Heer die polnische Grenze und bewegte sich auf die Hauptstadt zu. Die Soldaten wurden von General Iwan Paskewitsch angeführt, der bereits in den Kriegen gegen die Türken und die kaukasischen Bergstämme gedient hatte. Seine rücksichtslosen Unterdrückungsmaßnahmen ließen seinen Namen in der nationalen Erinnerung Polens zu einem Synonym für russische Grausamkeit werden. Am 25. Februar schlug eine polnische Streitmacht von 40000 Mann an der Weichsel 60000 Russen zurück und rettete Warschau. Doch bald trafen russische Verstärkungen ein, die den polnischen Widerstand allmählich überwanden. Sie umzingelten die Stadt, in der hungrige Bürger zu plündern begannen und gegen die provisorische Regierung randalierten. Warschau fiel am 7. September nach schweren Straßenkämpfen. Statt sich den Russen zu ergeben, flohen die Überreste des polnischen Heeres, rund 20000 Mann, nach Preußen. Dort wurden sie interniert, denn auch Preußen herrschte über polnisches Gebiet und war mit Russland verbündet. Fürst Czartoryski gelangte nach Großbritannien, während etliche andere Rebellen Zuflucht in Frankreich und Belgien suchten, wo sie als Helden empfangen wurden.
Die Reaktion der britischen Öffentlichkeit war nicht weniger positiv. Nach dem Scheitern des Aufstands fanden Massenversammlungen statt und wurden Gesuche eingereicht, in denen Bürger gegen das russische Vorgehen protestierten und ein Eingreifen Großbritanniens forderten. Dem Aufruf zum Krieg gegen Russland schlossen sich viele Teile der Presse an, darunter die Times , die im Juli 1831 fragte: »Wie lange soll es Russland gestattet werden, gegen die alte und ehrwürdige Nation der Polen Krieg zu führen, die Verbündeten Frankreichs, die Freunde Englands, die natürlichen und vor Jahrhunderten bewährten siegreichen Beschützer des zivilisierten Europa vor den türkischen und moskowitischen Barbaren?« Vereinigungen der Freunde Polens wurden in London, Nottingham, Birmingham, Hull, Leeds, Glasgow und Edinburgh gegründet, um die Unterstützung für die polnische Sache zu organisieren. Radikale Parlamentsabgeordnete (darunter
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