Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)
Russlandfeinden keine große Wirkung entfalteten. Zu den Letzteren gehörten der katholische Publizist und Staatsmann François-Marie de Froment, der in Observations sur la Russie (1817) vor den Gefahren des russischen Expansionismus warnte, sowie der Priester und Politiker Dominique-Georges-Frédéric de Pradt, der Russland in seiner überaus erfolgreichen polemischen Schrift Parallèle de la puissance anglaise et russe relativement à l’Europe (1823) als »asiatischen Feind der Freiheit in Europa« bezeichnete. 24 Mit seinem Widerstand gegen die Juli-Revolution von 1830 aber hatte sich der Zar bei Liberalen und Linken verhasst gemacht, während wiederum die traditionellen Verbündeten Russlands, die legitimistischen Anhänger der Bourbon-Dynastie, einen festen katholischen Standpunkt vertraten, womit sie sich in der Polenfrage von den Russen distanzierten.
In der franko-katholischen Vorstellung verfestigte sich das Bild Polens als einer Märtyrernation in den dreißiger Jahren durch eine Reihe von Werken über polnische Geschichte und Kultur. Keines war einflussreicher als Mickiewiczs Livre des pèlerins polonais (»Buch polnischer Pilger«), das der radikal katholische Journalist Charles Montalembert aus dem Polnischen übersetzte und das der Priester und Schriftsteller Félicité de Lamennais mit einer zusätzlichen »Hymne an Polen« veröffentlichte. 25 Der französische Einsatz für die nationale Befreiung Polens wurde durch religiöse Solidarität untermauert, die auch die ruthenischen (unierten) Katholiken von Weißrussland und der westlichen Ukraine einbezog, Gebieten, die ehemals von Polen beherrscht wurden und in denen Katholiken nach 1831 gezwungen wurden, zur russischen Kirche überzutreten. Die religiöse Verfolgung der Ruthenen erregte in den dreißiger Jahren wenig Aufmerksamkeit, doch als sie in den frühen vierziger Jahren auf Kongresspolen übergriff, waren die Katholiken außer sich. In Pamphleten forderte man einen heiligen Krieg zur Verteidigung der »fünf Millionen« polnischen Katholiken, die Russland zur Aufgabe ihres Glaubens genötigt habe. Ermutigt durch eine päpstliche Erklärung – »Über die Verfolgung der katholischen Religion im Russischen Reich und in Polen« – von 1842, fiel die französische Presse in die Verurteilung Russlands ein. »Da von Polen heutzutage nur noch der Katholizismus übriggeblieben ist, hat Zar Nikolaus ihn zu seiner Zielscheibe gemacht«, hieß es im Oktober 1842 in einem Leitartikel des Journal des débats . »Er möchte die katholische Religion als letztes und stärkstes Prinzip der polnischen Nationalität vernichten, als letzte Freiheit und letztes Zeichen von Unabhängigkeit, die dieses unglückliche Volk besitzt, und als letztes Hindernis für die Herstellung einer Einheit von Gesetzen und Moral, von Ideen und Glauben in seinem riesigen Reich.« 26
Der französische Zorn über die Verfolgung der Katholiken durch den Zaren erreichte 1845 einen Höhepunkt, als Berichte über die brutale Behandlung der Nonnen von Minsk eintrafen. Im Jahr 1839 hatte die Synode von Polozk in Weißrussland die Auflösung der griechisch-katholischen Kirche bekannt gegeben, deren prorömische Geistlichkeit den polnischen Aufstand von 1831 aktiv unterstützt hatte, und befohlen, deren gesamten Besitz auf die russisch-orthodoxe Kirche zu übertragen. Der Vorsitzende der Synode von Polozk war ein prorussischer Bischof namens Semaschko, der zuvor als Kaplan eines Nonnenklosters in Minsk fungiert hatte. Nach seiner Übernahme des Episkopats ordnete er unverzüglich an, dass sich die 245 Nonnen dort der russischen Kirche unterwerfen sollten. Laut Berichten, die nach Frankreich gelangten, ließ Semaschko die Frauen verhaften, als sie sich weigerten. Man legte ihre Hände und Füße in Eisen und brachte sie nach Witebsk, wo fünfzig von ihnen inhaftiert wurden, in ihren Ketten schwere körperliche Arbeit verrichten mussten und von den Wächtern brutal gefoltert und geprügelt wurden. Dann, im Frühjahr 1845, gelang es vier Schwestern zu entkommen. Eine von ihnen, die Äbtissin des Klosters, Mutter Makrena Mieczysławska, damals 61 Jahre alt, schlug sich nach Polen durch, wo der Erzbischof von Posen ihr half und sie von seinen Mitarbeitern nach Paris bringen ließ. Sie erzählte den polnischen Emigranten des Hôtel Lambert ihre furchtbare Geschichte und wurde als Nächstes von Papst Gregor XVI . in Rom empfangen, kurz bevor der Zar den Vatikan im Dezember 1845 besuchte.
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