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Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Titel: Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orlando FIGES
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viele Iren) verlangten, dass Großbritannien die »geknechteten Polen« verteidigte. Chartistengruppen aus Arbeitern und Arbeiterinnen (die sich am Kampf für demokratische Rechte beteiligten) erklärten ihre Solidarität mit dem polnischen Freiheitskampf und brachten manchmal sogar ihre Bereitschaft zum Ausdruck, für die Verteidigung der Freiheit im In- und Ausland ins Feld zu ziehen. »Wenn sich die englische Nation nicht aufrafft«, hieß es im chartistischen Northern Liberator , »werden wir das grässliche Schauspiel einer russischen Flotte erleben, bis an die Zähne bewaffnet und mit Soldaten vollgestopft, die es wagt, durch den Kanal zu segeln und wahrscheinlich bei Spithead oder im Plymouth Sound Anker zu werfen!« 21
    Der Freiheitskampf in Polen faszinierte die britische Öffentlichkeit, denn diese brachte die Vorgänge mit den Idealen in Verbindung, die sie nur zu gern für ihre eigenen hielt: insbesondere Freiheitsliebe und die Bereitschaft, den »kleinen Mann« gegen die »Tyrannen« zu verteidigen (das Prinzip, auf dessen Grundlage die Briten, wie sie sich einredeten, 1854, 1914 und 1939 in den Krieg zogen). In einer Zeit liberaler Reformen und neuer Freiheiten für den britischen Mittelstand wurden durch diese Verknüpfung mit der polnischen Sache mächtige Emotionen geweckt. Kurz nach der Verabschiedung des Parlamentsreformgesetzes von 1832 verkündete der Herausgeber der Manchester Times auf einem Treffen der Vereinigung der Freunde Polens, dass Briten und Polen den gleichen Freiheitskampf führten:
    Es war unser eigener Kampf (hört, hört). Wir kämpften im Ausland für das gleiche Prinzip wie gegen die Wahlkreishändler **** in der Heimat. Polen war nur einer unserer Außenposten. Sämtliche Sorgen Englands und des Kontinents lassen sich bis zur ersten Teilung von Polen zurückverfolgen. Wäre jenes Volk frei und ungefesselt geblieben, hätten wir nie erlebt, wie die Barbarenhorden Russlands ganz Europa verwüsteten; wie die Kalmücken und Kosaken des Despoten auf den Straßen und in den Gärten von Paris lagerten … Gab es einen einzigen Matrosen in unserer Flotte oder einen einzigen Infanteristen, der nicht froh darüber gewesen wäre, ausgesandt zu werden, um die Hand für die Sache der Freiheit und zur Unterstützung der unglücklichen Polen zu erheben? (Jubel) Die Kosten wären nicht hoch, wenn wir dem russischen Despoten das Schloss von Kronstadt um die Ohren jagen wollten. (Jubel) In einem Monat … könnte unsere Marine jedes russische Handelsschiff von jedem Meer auf der Oberfläche des Globus hinwegfegen. (Jubel) Lasst eine Flotte in die Ostsee fahren, um die russischen Häfen zu schließen, und was würde dann aus dem Kaiser Russlands werden? Er wäre ein Kalmück, umgeben von ein paar Barbarenstämmen (Jubel), ein Wilder mit nicht mehr Macht auf den Meeren, wenn ihm England und Frankreich gegenüberstehen, als sie der Kaiser von China hatte (Jubel). 22
    Die Anwesenheit von Fürst Czartoryski, dem »ungekrönten König Polens«, in London verstärkte die britische Sympathie für die polnische Sache. Die Tatsache, dass der im Exil lebende Pole ein früherer russischer Außenminister war, verlieh seinen Warnungen vor der Bedrohung Europas durch Russland noch größere Glaubwürdigkeit. Czartoryski war 1803, im Alter von 33 Jahren, unter Zar Alexander I. in den auswärtigen Dienst eingetreten. Er glaubte, Polen könne seine Unabhängigkeit und ein Gutteil seiner Gebiete zurückgewinnen, wenn es freundschaftliche Beziehungen zum Zaren unterhielt. Als Mitglied des kaiserlichen Geheimkomitees hatte er einmal ein ausführliches Memorandum vorgelegt, das auf die völlige Umgestaltung Europas abzielte: Russland würde durch ein wiederhergestelltes und wiedervereinigtes Königreich Polen unter der Protektion des Zaren von der österreichischen und preußischen Gefahr abgeschirmt werden; die europäische Türkei würde zu einem Balkankönigreich unter der Vorherrschaft der Griechen werden, während Russland die Kontrolle über Konstantinopel und die Dardanellen erhalten sollte; die Slawen würden sich unter dem Schutz Russlands die Freiheit von den Österreichern sichern; Deutschland und Italien würden unabhängige Nationalstaaten werden, föderal organisiert wie die USA ; Großbritannien und Russland würden gemeinsam das Gleichgewicht auf dem Kontinent aufrechterhalten. Der Plan war jedoch unrealistisch (denn kein Zar hätte der Wiederherstellung des alten polnisch-litauischen Königreichs

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