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Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Titel: Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orlando FIGES
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Napoleon vorausgesagt hatte) Europa entweder republikanisch oder von den Kosaken überwältigt werden würde. Den kontinentalen Revolutionen schien ein Kampf auf Leben und Tod gegen Russland und Nikolaus, den »Gendarmen Europas«, beschieden zu sein. In Deutschland plädierten die neu gewählten Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung, des ersten deutschen Parlaments, für einen Zusammenschluss mit Frankreich und für die Schaffung eines europäischen Heeres, um den Kontinent gegen eine russische Invasion verteidigen zu können. 36
    Für Deutsche und Franzosen war Polen die erste Verteidigungslinie gegen Russland. Im Frühjahr 1848 waren in der Nationalversammlung in Paris immer wieder Beistandserklärungen und Rufe nach einem Krieg zur Restauration des unabhängigen Polen zu hören. Am 15. Mai drang eine Schar von Demonstranten ins Nationalversammlungsgebäude ein. Sie waren wütend über (zutreffende) Gerüchte, wonach Außenminister Alphonse de Lamartine Einvernehmen mit den Russen über Polen erzielt habe. Unter »Vive la Pologne!«-Rufen der Menge sprach sich ein radikaler Abgeordneter nach dem anderen leidenschaftlich für einen Befreiungskrieg aus, durch den Polen seine Grenzen der Zeit vor der Teilung zurückerhalten und die Russen von polnischem Boden vertrieben werden sollten. 37
    Dann, im Juli, wandten sich die Russen gegen die rumänische Revolution in der Moldau und der Walachei, was den Westen noch mehr erzürnte. Die Revolution in den Fürstentümern war von Beginn an antirussisch gewesen. Rumänische Liberale und Nationalisten lehnten die von Russland dominierte Regierung ab, welche die abziehenden zaristischen Truppen nach ihrer Okkupation der Moldau und der Walachei von 1829 bis 1834 zurückgelassen hatten. Die liberale Opposition konzentrierte sich zuerst auf die Bojarenversammlungen, deren politische Rechte durch das règlement organique – eingeführt von den Russen, bevor sie die Fürstentümer wieder der Souveränität der Osmanen überließen – stark beschnitten worden waren. Beispielsweise wurden die Herrscher nicht mehr von den Versammlungen gewählt, sondern vom Zaren ernannt. In den vierziger Jahren, als sich gemäßigte Führer wie Ion Campineanu im Exil befanden, ging die nationale Bewegung in die Hände einer jüngeren Generation von Aktivisten über – darunter viele in Paris ausgebildete Bojarensöhne – , die sich in geheimen revolutionären Gesellschaften nach dem Vorbild der Carbonari und Jakobiner organisierten.
    Die größte dieser Geheimgesellschaften, die Fratja (Bruderschaft), sorgte dann im Frühjahr 1848 für Aufsehen. In Bukarest und Jassy forderte man auf öffentlichen Veranstaltungen, dass die alten, vom règlement organique aufgehobenen Rechte wiederhergestellt wurden, und man bildete Revolutionskomitees. In Bukarest wurde Fürst Gheorghe Bibescu durch Massendemonstrationen, welche die Fratja veranstaltet hatte, gezwungen, zugunsten einer provisorischen Regierung abzudanken. Man rief eine Republik aus, und eine liberale Verfassung ersetzte das règlement organique . Der russische Konsul floh ins österreichische Siebenbürgen, und die rumänische Trikolore wurde von jubelnden Menschenmengen, deren Anführer den Zusammenschluss der Fürstentümer zu einem unabhängigen Nationalstaat verlangten, durch die Straßen von Bukarest getragen.
    Beunruhigt über diese Entwicklungen und voller Sorge, dass der Geist der Rebellion auf ihre eigenen Gebiete übergreifen könnte, besetzten die Russen die Moldau im Juli mit 14000 Soldaten, um die Gründung einer Revolutionsregierung wie jener in Bukarest zu verhindern. Daneben verlegten sie 30000 Mann aus Bessarabien an die walachische Grenze, um einen Schlag gegen die provisorische Regierung vorzubereiten.
    Die Revolutionäre in Bukarest baten Großbritannien um Hilfe. Robert Colquhoun, der britische Konsul, hatte die nationale Opposition gegen Russland aktiv gefördert, nicht weil das Foreign Office die rumänische Unabhängigkeit befürwortete, sondern weil es Russland zurückdrängen und die türkische Oberherrschaft auf liberalerer Grundlage wiederherstellen wollte, damit die britischen Interessen in den Fürstentümern effektiver vertreten werden konnten. Das Konsulat in Bukarest war einer der Haupttreffpunkte für die Revolutionäre gewesen. Großbritannien hatte sogar polnische Exilanten eingeschleust, die eine gemeinsame antirussische Bewegung von Polen, Ungarn, Moldauern und Walachen unter britischer Führung

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