Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)
organisieren sollten. 38
Da die walachische Unabhängigkeit nur zustande kommen konnte, wenn eine russische Intervention unterblieb, agierte Colquhoun als Vermittler zwischen den Revolutionsführern und den osmanischen Behörden, wobei er hoffte, dass die Türken die provisorische Regierung anerkennen würden. Er versicherte dem osmanischen Bevollmächtigten Suleiman Pascha, dass die Regierung in Bukarest loyal zum Sultan stehen werde – eine kalkulierte Lüge – und dass ihr Hass auf die Russen der Türkei in künftigen Kriegen nützlich sein könne. Suleiman ließ sich von Colquhouns Argumenten überzeugen und hielt vor jubelnden Menschenmengen in Bukarest eine Rede, in der er die »rumänische Nation« feierte und von der Möglichkeit sprach, eine »Union zwischen der Moldau und der Walachei als Pfahl in den Eingeweiden Russlands« zu schaffen. 39
Dies war ein rotes Tuch für die Russen. Wladimir Titow, der Botschafter in Konstantinopel, verlangte, dass der Sultan die Verhandlungen mit den Revolutionären einstellte und für Ordnung in der Walachei sorgte – andernfalls werde Russland eingreifen. Dies genügte, um die Türken Anfang September zu einer Kehrtwende zu veranlassen. Ein neuer Bevollmächtigter, Fuad Efendi, wurde entsandt, um dem Aufstand mit Hilfe des russischen Generals Alexander Duhamel ein Ende zu setzen. Fuad überquerte die Grenze zur Walachei und lagerte mit 12000 türkischen Soldaten vor Bukarest, während Duhamel die 30000 russischen Soldaten heranführte, die in Bessarabien mobilisiert worden waren. Am 25. September zogen sie gemeinsam in Bukarest ein und besiegten die kleinen Gruppen von Rebellen, die sich ihnen auf den Straßen entgegenstellten, ohne große Mühe. Die Revolution war vorbei.
Die Russen übernahmen die Kontrolle der Stadt und führten eine Reihe von Massenverhaftungen durch, woraufhin Tausende von Rumänen die Flucht ins Ausland ergriffen. Auch britische Bürger wurden festgenommen. Die von den Besatzungstruppen eingesetzte prorussische Regierung untersagte öffentliche Versammlungen. Sich über politische Angelegenheiten schriftlich zu äußern wurde strafbar; die Polizei überprüfte sogar persönliche Briefe. »Hier ist ein Spionagesystem eingerichtet worden«, meldete Colquhoun. »Niemand darf über Politik sprechen, deutsche und französische Zeitungen sind verboten … Der türkische Bevollmächtigte sieht sich genötigt anzuordnen, dass jedermann aufhört, sich an öffentlichen Orten über politische Themen zu äußern.« 40
Nachdem die Ordnung in den Fürstentümern wiederhergestellt war, verlangte der Zar für seine Dienste einen neuen Vertrag mit den Osmanen, um die russische Kontrolle über die Territorien zu verstärken. Diesmal waren seine Bedingungen überzogen: Die russische Militärbesatzung solle sieben Jahre dauern; die beiden Großmächte würden die Herrscher der Fürstentümer ernennen, und russische Truppen dürften die Walachei durchqueren, um die fortdauernde ungarische Revolution in Siebenbürgen niederzuschlagen. Da Stratford Canning argwöhnte, dass die Russen in Wirklichkeit auf die Annexion der Fürstentümer abzielten, riet er den Türken, sich nicht vom Zaren einschüchtern zu lassen. Allerdings konnte er ihnen keine britische Intervention versprechen, falls ein Krieg zwischen der Türkei und Russland ausbrach. Er forderte Palmerston auf, Russland abzuschrecken und den britischen Beistand für das Osmanische Reich deutlich zu machen, indem London eine Flotte entsandte – diese Maßnahme hielt Stratford Canning für unerlässlich, um Feindseligkeiten zu vermeiden. Hätte Palmerston seinen Rat befolgt, wäre der militärische Konflikt zwischen Großbritannien und Russland womöglich schon sechs Jahre vor dem Krimkrieg ausgebrochen. Abermals jedoch war Palmerston nicht bereit zu handeln. Trotz seines harten Kurses gegenüber Russland akzeptierte er (vorläufig) die Motive des Zaren in den Fürstentümern, er glaubte nicht an eine russische Annexion und begrüßte vielleicht sogar die Tatsache, dass die Russen für Ordnung in den chaotischen osmanischen und Habsburger Gebieten sorgten.
Ohne britische Hilfe blieb der türkischen Regierung kaum etwas anderes übrig, als mit den Russen zu verhandeln. Durch den Vertrag von Balta-Liman, der im April 1849 unterzeichnet wurde, setzte der Zar die meisten seiner Forderungen durch: Die Herrscher der Fürstentümer würden von den Russen und den Türken ernannt werden; an die Stelle der
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