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Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Titel: Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orlando FIGES
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Hilfe an Canning und den französischen Botschafter Edmond de Lacour, die beide bereit waren, ihre Flotten herbeizuholen, falls eine Revolution in der türkischen Hauptstadt niedergeschlagen werden musste. 41
    An jenem Abend berief der Sultan eine Ministerkonferenz ein. Sie kamen überein, Russland den Krieg erklären zu wollen, allerdings erst, wenn die Hohe Pforte Zeit gehabt habe, sich der Unterstützung durch die westlichen Flotten zu versichern und die religiösen Proteste in Konstantinopel zum Schweigen zu bringen. Dieses Vorgehen wurde formell auf einer erweiterten Sitzung des Großen Rates am 26. und 27. September gebilligt. Daran nahmen die Minister des Sultans, führende muslimische Geistliche und das militärische Establishment teil. Vor allem die Religionsführer beharrten auf der Notwendigkeit zu kämpfen, obwohl die Militärbefehlshaber durchaus zögerten, denn sie hegten Zweifel an der Fähigkeit der türkischen Streitkräfte, einen Krieg gegen Russland zu gewinnen. Omer Pascha bemerkte, dass 40 000 weitere Soldaten an der Donau benötigt würden, wo man zudem mehrere Monate bräuchte, um die Festungen und Brücken für einen Krieg gegen Russland vorzubereiten. Mehmet Ali, den man kurz zuvor zum Oberbefehlshaber des Heeres ernannt hatte, wollte trotz seiner Verbindung zur »Kriegspartei« nicht darauf eingehen, ob ein Sieg über Russland möglich sei. Das Gleiche galt für Mahmud Pascha, den Großadmiral der Marine, der zwar behauptete, die Türken seien der russischen Flotte gewachsen, der diese Worte jedoch später, als er für eine Niederlage zur Rechenschaft gezogen wurde, nicht eingestehen wollte. Am Ende war es Reschid, der sich der Auffassung der muslimischen Führer anschloss, vielleicht weil er spürte, dass eine Ablehnung des Krieges in diesem späten Stadium eine religiöse Revolution entfachen und die Tanzimat-Reformen zerstören würde, von denen die Hilfe der Westmächte in einem Krieg mit Russland abhing. »Besser, kämpfend zu sterben, als gar nicht zu kämpfen«, erklärte Reschid. »So Gott will, werden wir den Sieg erringen.« 42
    * Österreicher und Franzosen hatten sich einverstanden erklärt, dem russischen Beispiel zu folgen, es sich dann jedoch anders überlegt, um einen Bruch mit Frankreich zu vermeiden. Ihr Kompromiss bestand darin, Napoleon als »Monsieur mon frère« anzureden.
    ** Die Mitglieder waren Premierminister Lord Aberdeen, Lord John Russell, Führer des Unterhauses, Außenminister Lord George Clarendon, Sir James Graham, der Erste Lord der Admiralität, sowie Palmerston, der damalige Innenminister.

5
    Sitzkrieg
    Die türkische Kriegserklärung erschien am 4. Oktober in der Staatszeitung Takvim-i Vekayi . Kurz darauf folgte ihr ein »Manifest der Hohen Pforte«, in dem es hieß, dass die Regierung infolge der russischen Weigerung, die Fürstentümer zu räumen, zu diesem Schritt genötigt gewesen sei. Zum Zeichen seiner friedlichen Absichten aber werde der Befehlshaber der rumelischen Armee, Omer Pascha, den russischen Truppen vor Eröffnung der Kampfhandlungen weitere fünfzehn Tage für den Rückzug gewähren. 1
    Sogar in diesem Stadium durfte noch auf eine diplomatische Lösung gehofft werden. Die türkische Erklärung diente dazu, Zeit zu gewinnen, um einerseits das Kriegsfieber bei den religiösen Massen in Konstantinopel zu dämpfen und andererseits Druck auf die westlichen Regierungen auszuüben, damit sie sich einschalteten. Da sie auf einen wirklichen Krieg mit Russland nicht vorbereitet waren, begannen die Osmanen einen Sitzkrieg, um die Gefahr einer islamischen Revolution in der türkischen Hauptstadt abzuwenden und den Westen zur Entsendung von Flotten zu zwingen, welche die Russen zurückweichen lassen würden.
    Am 19. Oktober lief das türkische Ultimatum ab. Gegen den Rat der Briten und Franzosen gingen die Türken in den Fürstentümern zum Angriff über, wobei sie darauf setzten, dass die westliche Presse öffentliche Unterstützung für ihr Anliegen gegen Russland wecken würde. Die türkische Regierung war sich insbesondere der Macht der britischen Presse sehr bewusst – womöglich sah sie gar keinen Unterschied zwischen ihr und der Regierung – und gab sich größte Mühe, sie für sich zu gewinnen. Den gesamten Herbst 1853 hindurch zweigte die Pforte beträchtliche Mittel für ihre Londoner Botschaft ab, damit diese »im Geheimen eine Reihe von öffentlichen Demonstrationen und Zeitungsartikeln bezahlen und organisieren« konnte, welche die

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