Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)
britische Regierung zur Intervention gegen Russland auffordern sollten. 2
Nachdem Omer Pascha den Befehl zur Aufnahme der Feindseligkeiten erhalten hatte, überquerten seine Streitkräfte die Donau am 23. Oktober bei Kalafat und trieben die Kosaken im ersten Gefecht des Krieges aus dem Ort. Die Dorfbewohner der Region Kalafat – eines antirussischen Bollwerks in der walachischen Revolution von 1848 – bewaffneten sich mit Jagdgewehren und schlossen sich dem Kampf gegen die Kosaken an. Außerdem überschritten die Türken den Fluss bei Olteniza, wo sie in schwerere, doch unentschiedene Gefechte mit den Russen verwickelt wurden (beide Seiten beanspruchten den Sieg für sich). 3
Die anfänglichen Scharmützel veranlassten den Zaren, eine Großoffensive gegen die Türken einzuleiten, wie er es in seinem Brief vom 29. Mai an Paskewitsch dargelegt hatte. Sein Oberbefehlshaber war inzwischen jedoch noch weniger von dem Plan überzeugt als im Frühjahr. Paskewitsch hielt die Türken für zu stark und dachte, die westlichen Flotten seien zu nahe, als dass die Russen die türkische Hauptstadt angreifen konnten. Am 24. September hatte er dem Zaren in einer Notiz dringend empfohlen, eine defensivere Position an der Nordseite der Donau zu beziehen und gleichzeitig christliche Milizen zu organisieren, die im Süden des Flusses gegen die Türken rebellieren sollten. Sein Ziel war es, die Türken zu Zugeständnissen an Russland zu zwingen, ohne dafür einen Krieg führen zu müssen. »Wir können die tödlichste Waffe gegen das Osmanische Reich einsetzen«, schrieb Paskewitsch. »Ihr Erfolg kann nicht einmal durch die Westmächte verhindert werden. Unsere schrecklichste Waffe ist der Einfluss auf unsere christlichen Stämme in der Türkei.«
Paskewitsch befürchtete vor allem, dass die Österreicher einer russischen Offensive auf dem Balkan Widerstand leisten würden, wo sie durch slawische Aufstände in ihren eigenen Nachbargebieten verwundbar wären. Er wollte russische Einheiten nicht auf Kämpfe mit den Türken festlegen, wenn sie womöglich zur Abwehr der Österreicher benötigt wurden, am wahrscheinlichsten in Polen, dessen Verlust am Ende den Zusammenbruch des Russischen Reiches in Europa nach sich ziehen konnte. Paskewitsch fehlte der Mut zu einer Konfrontation mit dem Zaren, weshalb er die Sache in die Länge zog: Er ignorierte Befehle, so bald wie möglich nach Süden vorzurücken, und konsolidierte stattdessen die russischen Stellungen an der Donau. Sein Ziel war zweifacher Art: den Fluss zu einer Nachschublinie vom Schwarzen Meer zum Balkan zu machen sowie die Christen zu Milizen zusammenzufassen und sie auf eine künftige Offensive gegen die Türken, vielleicht im Frühjahr 1854, vorzubereiten. »Der Gedanke ist neu und schön«, schrieb Paskewitsch. »Durch ihn werden wir enge Beziehungen zu den kämpferischsten Stämmen der Türkei knüpfen: den Serben, Herzegowinern, Montenegrinern und Bulgaren, die zwar nicht unbedingt für uns, doch zumindest gegen die Türken sind und die mit ein wenig Hilfe unsererseits in der Tat das Türkische Reich zerstören könnten … ohne den Verlust von russischem Blut.« 4 Da Paskewitsch wusste, dass es den legitimistischen Prinzipien des Zaren widersprach, im Ausland Revolten zu entfachen, verteidigte er seinen Plan mit einem religiösen Argument – dem Schutz der Rechtgläubigen vor muslimischer Verfolgung – und nannte Präzedenzfälle aus früheren Kriegen mit der Türkei (1773/74, 1788–1791 und 1806–1812), als die russische Armee christliche Soldaten in osmanischen Gebieten ausgehoben hatte. 5
Der Zar brauchte kaum überzeugt zu werden. In einem aufschlussreichen Papier, das Anfang November 1853 entstand, umriss Nikolaus seine Strategie für den Krieg gegen die Türkei. Es wurde an seine Minister und hohen Befehlshaber verteilt und war eindeutig von Paskewitsch, seinem bewährtesten General, beeinflusst worden. Der Zar rechnete damit, dass sich die Serben, wenig später gefolgt von den Bulgaren, gegen die Türken erheben würden. Das russische Heer würde eine Verteidigungsstellung an der Donau festigen und dann weiter nach Süden vorstoßen, um die Christen nach ihrem Aufstand gegen die Türken zu befreien. Diese Strategie setzte die langfristige Besatzung der Fürstentümer voraus, die den Russen Zeit gäbe, die Christen in Milizen zu organisieren. Der Zar blickte wenigstens ein Jahr in die Zukunft:
Anfang 1855 werden wir erfahren, wie viel Hoffnung wir auf die
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