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Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Titel: Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orlando FIGES
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öffentliche Versammlungen zur Verteidigung der Türkei statt. In Paisley sprach der antirussische Propagandist David Urquhart zwei Stunden vor einer Menschenmenge und endete mit einer Bitte an »das Volk von England … sich an sein Staatsoberhaupt zu wenden und zu fordern, dass entweder Russland der Krieg erklärt wird oder dass sich das britische Geschwader aus türkischen Gewässern zurückzieht«. Zeitungen veröffentlichten Petitionen an die Queen, in denen eine aktivere Haltung gegenüber Russland verlangt wurde. 27
    Die Einstellung der britischen Regierung – einer zerbrechlichen Koalition aus Liberalen und für den Freihandel eintretenden Konservativen, lose zusammengehalten von Lord Aberdeen – änderte sich durch das öffentliche Echo auf Sinope drastisch. Zuerst reagierte die Regierung gelassen auf die Neuigkeit. Die meisten Kabinettsmitglieder teilten die Meinung des Premierministers, wonach man den Friedensinitiativen der Österreicher mehr Zeit einräumen solle. Man einigte sich darauf, dass die britische und die französische Flotte ihre Anwesenheit im Schwarzen Meer spürbar machen sollten, doch habe diese Kräftedemonstration den Zweck, die Russen zur Annahme von Friedensgesprächen zu bewegen, und nicht den, einen Krieg zu provozieren. Die allgemeine Haltung lautete, dass Großbritannien nicht von den Türken, die sich die Misere selbst eingebrockt hätten, in einen Krieg hineingezogen werden solle. Königin Viktoria persönlich hatte gewarnt:
    Wie die Dinge jetzt liegen, scheint es …, daß wir im Verein mit Frankreich das ganze Wagnis eines europäischen Krieges auf uns genommen haben, ohne die Türkei an Bedingungen gebunden zu haben, unter welchen Umständen sie ihn herbeiführen dürfe. Den 120 fanatischen Türken, die den Divan in Konstantinopel ausmachen, bleibt es allein überlassen, welche Politik befolgt werden soll, und zugleich wird ihnen zu erkennen gegeben, daß England und Rußland sich gegenseitig verpflichtet haben, das türkische Gebiet zu verteidigen! Das heißt, sie mit einer Macht ausrüsten, die das Parlament selbst der Hand der britischen Krone anzuvertrauen mißtrauisch gewesen ist. 28
    In diesem Stadium stimmte die Queen mit Aberdeen darin überein, dass der Einmarsch in die Fürstentümer nicht als Grund für einen Krieg mit Russland gelten sollte. Wie er war sie immer noch geneigt, dem Zaren zu vertrauen, den sie zehn Jahre zuvor kennengelernt und sympathisch gefunden hatte, und sie glaubte, dass sich seine Aggressivität zügeln ließ. Privat war sie antitürkisch eingestellt, was sich ebenfalls auf ihre Haltung zu der russischen Invasion auswirkte. Vor Sinope hatte Viktoria in ihrem Tagebuch verzeichnet, dass es »im Interesse des Friedens und allgemein von großem Vorteil wäre, würden die Türken entscheidend geschlagen«. Später betrachtete sie den Einmarsch mit anderen Augen und hoffte, dass ein russischer Sieg über die Türken beide Seiten zugänglicher für europäische Friedensinitiativen machen würde. »Ein klarer Sieg der Russen zu Lande mag und wird , wie ich erwarte , einen besänftigenden Effekt haben, indem er den Kaiser großzügig stimmt und die Türken empfänglich für die Vernunft werden lässt«, notierte sie am 15. Dezember in ihrem Tagebuch. 29
    Der türkischen Kriegsstimmung gegenüberzutreten war eine Sache, doch es war etwas ganz anderes, dem Kriegsgeschrei der britischen Presse zu widerstehen, zumal sich Palmerston, der am 14. Dezember vorgeblich wegen der Parlamentsreform das Kabinett verlassen hatte, dem Chor derjenigen anschloss, die nach militärischer Aktion riefen. Sein Ziel war es, den friedensliebenden Aberdeen von außerhalb der Regierung herauszufordern, indem er die öffentliche Meinung in seine eigene Kampagne für eine aggressivere Außenpolitik einspannte. Palmerston behauptete, die Schlacht bei Sinope sei ein indirekter Angriff auf die Westmächte gewesen, die ihre Kriegsschiffe in den Bosporus geschickt hätten, um Russland zu warnen. »Das Geschwader des Sultans wurde in einem türkischen Hafen zerstört, in dem die englische und die französische Flotte, wären sie anwesend gewesen, Schutzmaßnahmen ergriffen hätten«, erklärte er Seymour. Sinope sei ein Beweis für russische Aggression und liefere den moralischen Vorwand, den Großbritannien benötige (und den Palmerston gesucht hatte), um die russische Bedrohung im Orient auszumerzen. Die Fortsetzung der Friedensgespräche in Wien werde es den Westmächten nur

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