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Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition)

Titel: Krimkrieg: Der letzte Kreuzzug (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orlando FIGES
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besaßen), elf Zweideckern, vier Fregatten und dreizehn Dampfern reichte ihre gemeinsame Stärke mühelos aus, um die Russen in Schach zu halten. Die russische Schwarzmeerflotte bestand aus zwei Geschwadern: Das eine, unter Admiral Wladimir Kornilow, patrouillierte in der westlichen Hälfte des Schwarzen Meeres, das andere, unter Vizeadmiral Pawel Nachimow, war für die östliche Hälfte zuständig. Beide hatten Befehl von Menschikow, jedes türkische Schiff zu zerstören, das Nachschub zum Kaukasus brachte. Die türkischen Minister und höheren Befehlshaber waren sich der feindlichen Patrouillen bewusst, beschlossen jedoch trotzdem, eine kleine Flotte ins Schwarze Meer zu entsenden. Die Russen hatten allen Grund zu der Annahme, dass die türkischen Schiffe Waffen und Männer zum Kaukasus beförderten (was ja auch zutraf). Die Türken vertrauten indes darauf, dass ihnen im Falle eines russischen Angriffs die Briten und Franzosen zu Hilfe eilen würden. Vielleicht war just dies ihr Sinn und Zweck: einen Angriff der Russen zu provozieren und dadurch die Westmächte zur Teilnahme an einem Flottenkrieg im Schwarzen Meer zu zwingen. Jedenfalls schienen die Türken sich nicht um die heikle Situation ihrer Flotte zu kümmern, die bei Sinope an der anatolischen Küste ankerte, in bequemer Reichweite von Nachimows größerem und stärkerem Geschwader (sechs moderne Schlachtschiffe, zwei Fregatten und drei Dampfer). 23
    Am 30. November erteilte Nachimow den Befehl zum Angriff. Die schweren Geschütze und Sprenggranaten seines Geschwaders vernichteten die türkische Flotte. Es war das erste Mal, dass Sprenggranaten in einer Seeschlacht eingesetzt wurden. Die Russen hatten einen fortgeschrittenen Granatentyp entwickelt, der die Beplankung der türkischen Schiffe durchbohrte, ehe die Explosivladung sie von innen her zerriss. Slade befand sich auf dem einzigen türkischen Schiff, das entkam, einem Raddampfer namens Taif . Er hinterließ folgenden Bericht:
    Innerhalb von einer Stunde oder anderthalb Stunden war die Aktion praktisch beendet, abgesehen von vereinzelten Schüssen hier und dort, da es der einen Seite an Mitteln mangelte, den Kampf fortzusetzen. Die halbe Besatzung der türkischen Schiffe lebte nicht mehr, ihre Kanonen waren zumeist zerstört und ihre Flanken durch die Zahl und das Gewicht der feindlichen Schüsse buchstäblich eingeschlagen. Einige Schiffe standen in Brand … Die Russen jubelten, denn sie hatten das Ziel erreicht, dessentwegen sie in die Bucht gekommen waren: die Vernichtung des türkischen Geschwaders. Alle Umstände erwogen, hätten sie nun das Feuer einstellen müssen, und in diesem Fall wäre ihnen Tadel versagt geblieben. Aber sie eröffneten erneut das Feuer auf die gestrandeten Rümpfe, und zusätzlich zu den bereits aktiven Schiffen kamen ihre Fregatten in die Bucht, um dicht neben ihnen die Zerstörung zu vollenden. Viele Männer verloren ihr Leben entweder durch Kugeln oder durch Ertrinken bei dem Versuch, das Ufer zu erreichen … Außer den Schiffen vernichteten die Russen das türkische Viertel von Sinope mit Granaten und Brandsätzen. Die Zerstörung ist vollkommen, kein Haus steht mehr, die Bewohner sind dem Gouverneur beim ersten Schuss in die Flucht gefolgt.
    Laut Slade kamen durch den russischen Angriff 2700 von insgesamt 4200 türkischen Seeleuten bei Sinope um. Im Ort herrschten Chaos und Verwüstung, Cafés wurden zu provisorischen Lazaretten. Es gab Hunderte von verwundeten Zivilisten, doch nur drei Ärzte. Sechs Tage vergingen, bevor die Russen ihren Beschuss einstellten und die Verwundeten per Schiff nach Konstantinopel gebracht werden konnten. 24
    Ein paar Tage später beschrieb Slade der Hohen Pforte die Details der Schlacht. Die Minister wirkten auf ihn seltsam ungerührt, was den Verdacht bekräftigte, dass die Türken die russische Attacke provoziert hatten, um die Westmächte in den Krieg hineinzuziehen:
    Ihr helles, gepolstertes Quartier und ihre glatten, in Pelze gekleideten Gestalten vertieften in der Erinnerung, infolge des Kontrasts, das Dunkel der schäbigen Cafés von Sinope mit ihren sich vor Schmerz windenden Insassen. Sie hörten der jammervollen Geschichte augenscheinlich uninteressiert zu; sie betrachteten gelassen einen Panoramablick auf die Bucht von Sinope, den Leutnant O’Reilly von der Retribution ein paar Tage nach der Aktion angefertigt hatte. Ein Fremder, in Unkenntnis der Unerschütterlichkeit der Osmanen, hätte gedacht, dass sie einem Bericht über

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