Kris Longknife: Die Rebellin: Roman (German Edition)
es sind auch deine. Es sieht so aus, als steckten wir alle in Schwierigkeiten. Und wenn wir, um alles zusammenzuhalten, jemanden brauchen, den wir als gutes Vorbild vor Augen haben, na ja, hieß es dazu in deiner Jugend nicht: Fass Mut und halt durch?«
»Wahrscheinlich häufiger als in deiner Jugend«, knurrte Ray.
»Und gleich erzählt er dir, wie es ist, einen Schulweg von dreißig Kilometern zu haben, bergauf und im Schnee, in Sommer, Winter, Frühling und Herbst.« Trouble grinste. »Sagtest du nicht selbst vor gerade mal einer Minute, wir müssten die jungen Leute von heute respektieren und ihnen ihre Welt überlassen?«
»Sollen sie sie haben, ja. Aber sie respektieren? Nie!«
Darauf lachten alle. Trotzdem war es Ray, der zuerst wieder ernst wurde. »Ich denke immer noch, dass diese Idee mit einem König nicht richtig durchdacht wurde. Wie zum Beispiel, dass kein Mitglied der königlichen Familie im Parlament sitzen darf, im, wie nannten sie das, ›Unterhaus‹.«
Kris, die politische Wissenschaften studiert hatte, setzte sich auf. Sie und ihre Freunde hatten bei den Diskussionsrunden imScriptorum auch richtig abwegige Ideen ausgetüftelt. Das jedoch war auch für sie etwas Neues. »Was versucht man da zu erreichen?«
»Die Macht des Geldes in der Politik soll schrumpfen«, erklärte Trouble. »In den zwanzig Jahren, die Ray König sein soll, darf keiner seiner Verwandten für das Parlament kandidieren oder Geld für politische Parteien oder Wahlkämpfe spenden. Man glaubt, damit das große Geld aus der Politik zu drängen. Uns ist aufgefallen, dass dein Dad, Premierminister Billy, nicht bei der Veranstaltung war.«
Kris wusste, dass Geld Treibstoff der Politik und ihr Fluch zugleich war. Dieser Ansatz hatte, wenn schon nichts sonst, den Vorteil, dass man ihn bislang noch nie ausprobiert hatte. Allerdings erinnerte sie der Hinweis auf ihren Vater daran, dass dieser Plan sich auch auf eine gewisse Kris auswirken würde.
»Jetzt mal langsam, Opa. Ich denke du wärst ein großartiger König. Das heißt aber nicht, dass du aus mir eine Prinzessin machst, oder? Denn ich muss dir sagen, ich hatte schon als Göre des Premierministers alle Probleme, mit denen ein heranwachsendes Mädchen nur fertig werden kann.«
Trouble lachte bellend, aber Opa Ray starrte nur Kris an. Dann lächelte er. Kris hatte das Gefühl, dass schon ganze Iteeche-Flotten nach einem solchen Lächeln zu Tode gekommen waren. »Trouble, was, wenn ich aus jemandem einen Herzog oder Grafen mache?«
»Ich weiß gar nicht, ob sie es dir erlauben.« Trouble streichelte sich das Kinn. »Sie haben nichts über ein ganzes Königshaus gesagt.«
»Sie haben über eine Menge Dinge nichts gesagt.«
Kris schüttelte den Kopf. »Warum denke ich nur, ich hätte lieber den Mund gehalten?«
»Nein, Prinzessin«, sagte Trouble mit einem bösen Grinsen, während Kris zusammenzuckte, »das ist nur die Art von Reden,die deine Opas gern schwingen. Es bringt alte Käuze wie uns auf tolle Ideen.«
»Nein, auf schlechte Ideen. Auf sehr schlechte Ideen«, beharrte Kris einer grinsenden Tischgesellschaft gegenüber.
Opa Ray saß da, musterte sie alle einen Augenblick lang mit gepresstem Lächeln und sah ganz so aus, wie es nach Kris’ Meinung ein König tun sollte. Vielleicht konnte die Menschheit in diesem Augenblick einen König gebrauchen. Ehe sie den Gedanken zu Ende führen konnte, stand Ray auf. Alle folgten seinem Beispiel. Er hob den Krug, fünf weitere Krüge stiegen ebenfalls hoch. »Auf uns und solche, die wie wir sind. Möge es immer genug der Wenigen geben, damit sie die Welten für die Vielen in Gang halten können.«
Kris erschauerte und antwortete im Chor mit den anderen: »Sehr richtig!« So fühlte es sich an, wenn man zu denen gehörte, die Trouble und Ray als »wir« bezeichneten. Das war es, was es bedeutete, zu »den Wenigen« zu gehören. Sie nahm einen tiefen Schluck von ihrem Kaffee.
Und Nelly erzeugte ihr höfliches Äquivalent eines Hüstelns. »Kris, du sollst um ein Uhr im Büro General McMorrisons erscheinen.«
»Oh, oh!«, sagte Tru. »Eines dieser Freitagnachmittagsgespräche mit dem Boss.«
»Sollen wir ein gutes Wort für dich einlegen?«, fragte Trouble.
Kris reckte die Schultern. »Nein, Sir. Das ist mein Problem. Ich kümmere mich darum.« Es ist meine Karriere. Ich sollte lieber fähig sein, sie zu managen.
»Hätte auch keine andere Antwort erwartet«, sagte Ray. »Wenn sich ein Longknife in etwas
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