Krise im Jahr 2000
Schädel hin und her, bis man das Gefühl hatte, der Kopf müsse im Nacken abbrechen und auf den Boden fallen. Dann streckte er eine lange knochige Hand aus. Lynn ergriff sie vorsichtig. Sie war schlaff und dürr, und sie hätte ebensogut einem Skelett die Hand schütteln können.
»Ich bin entzückt«, murmelte Jollie.
Seine Augen züngelten durch den Raum wie die Zunge einer Schlange und hefteten sich wie Nadeln auf Dexter. »Wer ist der da?« fragte er.
»Jon Dexter vom Sicherheitsamt«, sagte Lynn.
»Hehehe!« Jollie wiegte wieder den Kopf in hysterischer Belustigung. »Vom Sicherheitsamt? Gehen die für gewöhnlich so herum?«
»Man hat ihm seine Kleider weggenommen, um sie zu sterilisieren.«
»Ich weiß, ich weiß«, kicherte Jollie. »Sie haben mir meine auch weggenommen, als ich hier ankam.«
»Da werden Sie auch nicht besonders wissenschaftlich ausgesehen haben«, sagte Lynn, worauf Jollie vor Lachen brüllte und kicherte, bis ihre Nerven sich dagegen aufzulehnen begannen.
Für einen weltberühmten Biologen, dachte sie, schlug er wirklich einen ganz neuen Ton an, oder war sein exzentrisches Verhalten typisch für die hergebrachte Auffassung von dem zerstreuten Gelehrten? Er war bestimmt kein Mann, der einer Frau Vertrauen einflößen konnte, aber sein Sinn für Humor schien sehr ausgeprägt zu sein.
»Wann sind Sie angekommen, Doktor Jollie?« fragte sie.
»Etwa um fünfzehn Uhr. Auf dringende Aufforderung Senator Drazins. Ich beschloß, mir zuerst dies alles anzusehen, und habe mich seitdem nicht losreißen können. Hehehe! Faszinierende Kreaturen, völlig unirdisch!«
»Das ist die eine Seite der Sache«, bemerkte Lynn. »Haben Sie irgend etwas entdeckt? Irgend etwas von Bedeutung, meine ich?«
Jollie kicherte wieder, wobei seine Augen lustig blitzten. »Was nennen Sie wichtig? Den Umstand, daß diese Geschöpfe zwiegeschlechtlich sind? Daß sie kein Knochengerüst haben? Daß sie wie Unterwassertiere sind? Daß sie auf einen Hieb zwei Millionen befruchtete Eier legen? Hehe, was nennen Sie wichtig?«
»Sind sie aggressiv?« fragte Lynn. »Sind sie gegen die Menschen feindlich eingestellt?«
»Etwa so feindlich wie eine Muschel«, kicherte Jollie. »Das ist ein guter Vergleich. Sie sind die Muscheln des Saturns. Sie leben in Meeren von gefrorenem Ammoniak.«
»Sprechen Sie weiter«, sagte Lynn. »Zu was für einem Ergebnis führt dies alles?«
Jollie setzte sich und wurde im Handumdrehen sachlich, als hätte irgend jemand plötzlich seinen Sinn für Humor abgeschaltet. »Das Resultat, zu dem man kommt, ist das folgende«, sagte er nüchtern. »Diese Geschöpfe sind das Ergebnis eines Entwicklungsprozesses, der in den Grundzügen dem der Erde ähnlich ist. Aber in den letzten fünfzigtausend Jahren haben sie ihre Umgebung sich selbst angepaßt, nicht umgekehrt. Verstehen Sie, was ich meine?«
»Nein«, sagte Lynn.
»Sie sind eine schwache, wehrlose Art mit weichem Körper, die nur infolge ihrer ungeheuren Fruchtbarkeit fortleben konnte. Auf dem Saturn sind sie die Lieblingsnahrung der andern Seetiere, die nicht ganz so schwach und friedlich sind. Verstehen Sie mich?«
Lynn nickte. »Wie kommt es, daß sie technisch so vollkommen sind?«
»Sie haben ein hochentwickeltes Rassengedächtnis. Tatsächlich sind sie keine wirklichen Einzelwesen. Jede dieser Saturnkreaturen ist eine Art Zelle des ganzen Rassenkörpers, und das Rassengehirn ist etwas Ungeheures.«
»Sie meinen: so etwas wie ein riesiges Tier, in dem alle Körperzellen voneinander losgelöst sind?«
Jollie nickte zustimmend. »Man kann diesen Vergleich benutzen. Sie sind weiche Gewebekügelchen, und die ganze Art ist ein denkendes Ganzes mit einer äußerst hohen Gruppenintelligenz. Aber einzeln sind sie hilflose, wehrlose kleine Leckerbissen für ihre fleischfressenden Nachbarn auf dem Saturn. Daher sind sie natürlich ganz auf ängstliche Verteidigung eingestellt.«
»Ich verstehe«, flüsterte Lynn, während sie die Stücke dieses Puzzlespiels in ihrem Kopf zusammenfügte.
»Verteidigung ist der Leitsatz ihres Lebens«, fuhr Jollie fort. »Alle ihre Gedanken, ihr Verhalten und ihre Kultur sind getragen von der Notwendigkeit einer angemessenen Verteidigung gegen Kräfte und Tiere, die sie vernichten könnten.«
»Sie sind also nicht feindlich …«
»Hehehe«, kicherte Jollie und unterbrach den ernsthaften Faden seines Berichts, »wie feindlich kann eine Muschel sein?«
Lynn runzelte verwirrt die Stirn. »Aber all diese
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