Krise im Jahr 2000
vielleicht von einer Art Hochfrequenzsender im Schiff.«
»Vom Schiff?« wiederholte Kyle.
»Vom Raumschiff. Von der silbernen Scheibe.«
»Das also ist Ihre Ansicht«, stellte Drazin mit der Stimme einer Rechenmaschine ruhig fest.
Lynn Farrow sah Drazin unpersönlich an und zog ihren Rock etwas weiter über das Knie. »Mit Hilfe eines uns bekannten, aber nicht viel gebrauchten Verfahrens treffen die Strahlen aufeinander, so daß die tatsächliche Ausstrahlungszone die Form einer engen Hülse annimmt, einer Halbkugel, deren Mittelpunkt die Arena ist.« Sie sah ihre Zuhörer an, begegnete Dexters Blick, bemerkte darin etwas Aggressives und richtete ihre Aufmerksamkeit auf Wayne. »Die Kraftausstrahlung des Senders muß zehn Millionen Watt betragen, nach irdischen Begriffen eine phantastische Menge. Das kann nur eines bedeuten: die Fremden beziehen die Energie für die Sperrwand aus Atomquellen.«
Kyles Miene verfinsterte sich. »Sie meinen, daß diese Sperrwand die Auswirkung einer Atomwaffe hat?«
»Nicht ganz. Die Funktion scheint in der Hauptsache defensiv zu sein.«
»Aber Sie sagten Atom.«
»Jawohl. Ich habe die Geiger-Müller-Untersuchungen vorgenommen und eine Quelle starker Betastrahlungen innerhalb des Stadions wahrgenommen, – der schlüssige Beweis, daß die Fremden sich in der Tat der Kernspaltung bedienen. Ihre Geräte müssen äußerst fest und wirksam sein, wahrscheinlich allem, was wir zur Zeit besitzen, weit überlegen.«
»Zum Teufel!« bemerkte Kyle zornig.
Lynn Farrow zog unmerklich eine Braue in die Höhe. »Wir dürfen nicht verkennen, daß wir es mit wissenschaftlich sehr fortgeschrittenen Geschöpfen zu tun haben.«
»Welches Motiv nehmen Sie bei ihnen an?« fragte Dexter.
Sie sah ihn ruhig an. »Es ist nicht meine Aufgabe, Motive zu erraten. Ich habe nur mit den wissenschaftlichen Tatsachen und ihrer Auslegung zu tun. Aber es sieht so aus, als ob wir Schwierigkeiten bekämen.«
Kyle schoß nach vorn. »Sie meinen … eine Invasion der Erde?«
»Ich weiß es nicht. Vielleicht etwas Derartiges. Sie scheinen nach einem festgelegten Plan zu arbeiten. Ob sie feindlich sind oder nicht, kann man nicht mit Bestimmtheit sagen, aber es ist klüger, das Schlimmste vorauszusehen.«
»Dem möchte ich beistimmen«, sagte Wayne. »Aber eine Sache begreife ich nicht. Ich habe fast den ganzen Tag den Bildschirm beobachtet, doch ich habe nicht mehr als acht von diesen … diesen Doubles gezählt. Ich kann nicht verstehen, wie acht Fremde in menschlicher Gestalt hoffen können, einen zivilisierten Planeten zu erobern.«
»Vielleicht durch Verstärkungen«, meinte Lynn Farrow. »Sie haben in den letzten Stunden hinter dem Schiff eine Art Apparat aufgestellt. Von hier aus kann man ihn nicht sehen, aber sie haben Maschinenteile und Ausrüstungsgegenstände dorthin getragen.«
Drazin räusperte sich. »Sie nehmen einfach alle an, daß diese – diese Doubles unsere Feinde sind. Aber haben sie nicht gesagt, daß sie die Absicht hätten, neue Maschinen vorzuführen und im allgemeinen an unserer Ausstellung teilzunehmen?«
»Tarnung«, meinte Lynn Farrow.
»Ein Trick, um Zeit zu gewinnen und sich festzusetzen«, sagte Kyle kurz.
»Eine unbegründete Vermutung«, gab Drazin zurück. »Wir haben keinen wirklichen Grund, anzunehmen, daß diese Besucher andere als freundliche Absichten haben.«
Wayne seufzte und blickte auf seine Armbanduhr. »Das werden wir bald erfahren«, sagte er. »Es ist jetzt 14 Uhr 58. In zwei Minuten wird die Sperrwand verlegt werden. Ich habe schon die neue Sperrlinie auf einer Karte des Geländes verzeichnet. Die Wand wird dann mehrere Gebäude berühren, die von hier aus sichtbar sind.«
Wayne deutete hinaus. »Dort ist die schwedische Sporthalle und daneben der Tibetische Turm der Weisheit. Rechts können Sie das langgestreckte Studio der Fernseh-Avenue sehen. Die Linie der erweiterten Sperrwand wird alle drei Bauten berühren. Wir dürften sehr bald ein Feuerwerk sehen.«
»Was meinen Sie? Ein Feuerwerk?« fragte der Senator.
»Die Gebäude werden in Flammen aufgehen. Die Sperrwand wird sie zu Weißglut erhitzen.«
»Und wenn nichts geschieht?«
Wayne zuckte die Schultern. »Dann ist vermutlich das Ganze ein Bluff.«
Wayne blickte wieder auf seine Uhr, wartete, bis der kreisende Sekundenzeiger auf zehn vor fünfzehn Uhr gekommen war, dann begann er leise die noch verbleibenden Sekunden zu zählen. Seine Uhr ging eine Kleinigkeit nach. Es fehlten gerade noch drei
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