Krishna-Zyklus 10 - Die Kontinente-Macher
vor?«
»Was ist denn?« fragte Edwards aufgeregt und stürzte hinter ihr her.
Graham erfasste die Lage blitzschnell. Er schnappte sein Zeichenbrett, hielt es hochkant, um den Luftwiderstand zu verringern, und ließ es mit aller Kraft auf Edwards’ Schädel niedersausen. Edwards sah es aus dem Augenwinkel kommen, versuchte noch, sich umzudrehen, und einen letzten verzweifelten Griff nach seinem Schulterhalfter – doch zu spät. Die scharfe Holzkante traf seinen Schädel mit splitterndem Krachen. Als Edwards leblos zusammenklappte, sah Graham, dass das stabile Brett von der Wucht des Schlages zerbrochen war.
Er räumte den Körper aus dem Weg, ohne sich darum zu kümmern, ob er noch lebte, und packte die Gitterstäbe. Ein kräftiger Ruck, und das Fenster kam ihm entgegen.
»Los jetzt!« sagte er leise. »Beeil dich, und mach keinen Lärm, hörst du?« Er kletterte über den Sims und kroch vorsichtig auf den Dachrand zu. »N-nicht einfach abspringen! Halt dich an der Dachrinne fest – so – ganz richtig – jetzt lass dich an den Armen runter, und wenn ich ›jetzt‹ sage, dann lässt du los. Keine Angst, es ist nur etwa ein Meter.«
Er sprang hinunter, landete auf dem Sandboden des Vorgartens, und fing sie auf. Dann rannten sie Hand in Hand den Laufsteg hinunter zum Strand. Dort bogen sie nach links ab und hasteten auf den Bretterzaun des Nudistenstrandes zu.
Am Eingang des Nudistenstrandes angekommen, blieben sie einen Moment lang stehen, um wieder zu Atem zu kommen und einen Blick zurück zu Aurelios Haus zu werfen. Keiner schien etwas gemerkt zu haben.
»Bestimmt gibt’s hier drin irgendwo ein Telefon«, sagte Graham. »Komm!«
Der Eingang zum Nudistenstrand bestand aus einem engen, von zwei parallel verlaufenden Bretterzäunen begrenzten Pfad. Der Pfad verlief in einem L-förmigen Knick um die Ecke des Geländes, damit niemand von draußen hereinschauen konnte. Sie folgten dem Knick und stellten fest, dass der innere Zaun hinter der Ecke noch ein paar Meter weiter ging und in einem Schalter und einer Reihe von abschließbaren Kleiderspinden endete. Hinter dem Schalter sahen sie ein paar enttäuschte Sonnenhungrige, die mit griesgrämiger Miene im Sand hockten und hin und wieder zum Himmel spähten.
»He, Sie!« begrüßte sie der Mann hinter dem Schalter. »Sie können hier nicht mit Kleidern rein! Das verstößt gegen den guten Anstand! Sie müssen Ihre Sachen in einem der Spinde lassen.«
»Schon gut«, sagte Graham. »Ich wollte bloß teff – telf…«
»Sie wollten was?« fragte der Mann.
»T-tefflef–«
Er brach ab, und die beiden starrten sich in einem Aufblitzen plötzlichen Wiedererkennens an. Der Mann war das Mitglied von The’erhiyas Bande, den er bisher nur unter dem Namen ›Hank‹ kennen gelernt hatte.
Ehe Graham auch nur die Muskeln zur Flucht spannen konnte, huschte Hanks Hand unter den Schalter und kam mit einer Pistole wieder zum Vorschein. Er richtete die Mündung auf die beiden Ausreißer und postierte sich so, dass den Badegästen hinter ihm die Sicht auf die Waffe versperrt war.
»Keine Bewegung!« zischte er. »Rührt euch nicht von der Stelle!« Dann tippte er eine Nummer auf seinem Armbandtelefon und sprach hastig in das Mikrofon: »… ja, guckt nach … ja … ja, ich hab sie hier … beeilt euch …«
Fünf Minuten später wurden Gordon Graham und Jeru-Bhetiru von Lundquist und Warschauer, beide mit einer in der Jackentasche verborgenen Pistole im Anschlag, zurück zu Aurelios Haus eskortiert.
Man brachte sie ins Wohnzimmer, wo Lundquist, Adzik und der andere Mann, dessen Namen Graham nicht kannte, sie schon erwarteten.
»Nun?« fragte Lundquist. »Was ist mit Jim?«
»Er ist tot«, zischte The’erhiya.
»Oh«, sagte Lundquist. »Na wartet, ihr zwei, das werdet ihr büßen!« Er sicherte seine Pistole, fasste sie beim Lauf und holte aus.
»Nicht!« rief The’erhiya. »Wir prauchen ihn noch für …«
Doch ehe das Reptil den Satz beendet hatte, sauste der Pistolenknauf durch die Luft und traf Grahams Kopf mit einem gedämpften, doch unüberhörbaren metallischen Klonk. Graham sah Sterne und geriet ins Taumeln, doch der Helm und die dünne Schaumgummischicht auf seiner Innenseite nahmen dem Schlag die schlimmste Wirkung.
»Schluss jetzt!« zischte The’erhiya wütend. »Später vielleicht, aper noch nicht jetzt!«
Lundquist hielt inne und starrte Graham eindringlich an. Schließlich murmelte er: »Irgendwas stimmt mit seinem Kopf nicht!« Er trat einen
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