Krishna-Zyklus 10 - Die Kontinente-Macher
ehrenhaften …«
Die lange krishnanische Nacht war bereits zu zwei Dritteln vorüber, als das Händeschütteln und Trinken endlich zu Ende waren. Innig einander umschlungen haltend, wankten Borel und Kubanan betrunken zu den Gemächern des letzteren, wobei Borel aus vollstem Halse ein altes terranisches Lied – oder zumindest das, was er davon behalten hatte – von einem König von England und einer Königin von Spanien schmetterte, bis Kubanan ihn schließlich mit einem eindringlichen »Psst!« zum Schweigen brachte.
»Wisst Ihr nicht«, fragte ihn der Zahlmeister, »dass Poesie und Gedichte in Mikardand verboten sind?«
»Nein, das wusste ich nicht. Aber warum denn?«
»Der Orden ist zu dem Schluss gelangt, dass sie schlecht für unseren – kick – kriegerischen Geist seien. Außerdem erzählen Poeten viel zu viele Lügengeschichten. Wie geht die nächste Strophe?«
IV
Als sich Sir Felix am darauf folgenden Morgen wieder so weit von den Strapazen der vorausgegangenen Nacht erholt hatte, dass sein Kopf einigermaßen klar war, machte er sich sogleich daran, die nötigen Schritte für die Realisierung seines Perpetuum-Mobile-Projekts in die Wege zu leiten. Er bekam eine Audienz bei Großmeister Juvain für den frühen Nachmittag und unterbreitete ihm seinen Vorschlag. Sir Juvain schien einigermaßen verwirrt über die ganze Sache, und Borel musste Kubanan als Schützenhilfe hinzuziehen.
Nachdem der letztere dem Großmeister die ganze Sache noch einmal erläutert hatte, sagte dieser: »Sehr gut, Bruder Felix, gebt mir Bescheid, sobald Ihr mit Euren Vorbereitungen fertig seid, damit ich eine Generalversammlung aller zur Zeit anwesenden Brüder einberufen und Euren Vorschlag zur Diskussion stellen kann.«
Da das Vorführmodell noch nicht fertig war, blieb Borel in den darauf folgenden Tagen nichts weiter zu tun, als hin und wieder Henjare, dem Kupferschmied, über die Schulter zu schauen und den Bau des Verkaufsstandes für die Lotterielose zu überwachen. Der Druck der Lose und Plakate würde ohnehin noch eine Weile auf sich warten lassen.
Um die Wartezeit einigermaßen sinnvoll auszufüllen, ließ er sich von Yerevats Fahrstunden mit dem Gespann erteilen. Nach ein paar Stunden beherrschte er einigermaßen die schwierige Kunst des Zurücksetzens und schaffte es, das Gespann auf relativ engem Raum sicher zu wenden.
»Halt das Gespann gleich nach dem Mittagessen für mich bereit!« befahl er Yerevats.
»Meister will Ausfahrt machen?«
»Ja, ich werde dich dabei aber nicht brauchen. Ich fahre allein.«
»Nicht gut, Meister. Meister kommt in Schwierigkeiten.«
»Das ist meine Sache.«
»Bestimmt Meister will Frau ausfahren. Nicht gut.«
»Scher dich um deinen eigenen Dreck!« brüllte Borel und hob drohend die Hand gegen Yerevats, der sich ängstlich duckte und wie der Blitz zur Tür hinaus war. Mist, dachte Borel, jetzt schmollt er, und ich brauche wieder mindestens einen Tag, um ihn auf Laune zu kriegen, damit er mich ordentlich bedient. Verdammt, warum hatten sie auch keine mechanischen Diener, bei denen man nicht immer aufpassen muss, dass sie nicht gleich beleidigt sind, wenn man sie mal ein bisschen anmeckert? Irgendeiner auf der Erde hatte mal versucht, einen zu basteln, aber das Ding war Amok gelaufen und hatte seinen Herrn mit einem Bündel Brennholz verwechselt …
Der Nachmittag sah ihn auf dem Bock seines Karrens die Hauptstraße von Mishe entlangholpern, neben ihm Zerdai, die ihn unverhohlen anhimmelte. Er konnte sich noch immer nicht so recht an das seltsame Geräusch gewöhnen, das die sechs Hufe seines Aya machten, wenn er in Trab verfiel.
Ein wenig nervös fragte er Zerdai: »Wer hat Vorfahrt, wenn ich an eine Kreuzung komme?«
»Nun, Ihr natürlich, Felix! Ihr seid ein Mitglied des Ordens, auch wenn Ihr kein regulärer Hüter seid!«
»Oh!« Auch wenn Borel nicht gerade ein Ausbund an Rücksichtnahme und Altruismus war, hatte er doch lange genug unter dem Einfluss der demokratischen Institutionen der Erde gelebt, dass er immerhin so viel Gemeinsinn aufbrachte, um derartige Klassenunterschiede abscheulich zu finden. »Mit anderen Worten, weil ich jetzt ein ehrbarer Ritter bin, kann ich jetzt wie ein Wilder in vollem Galopp durch die Stadt brettern, byant-hao! brüllen, und wenn einer sich überfahren lässt, dann ist das eben seine eigene Schuld?«
»Natürlich. Was denkt Ihr denn? Aber ich vergesse, Ihr seid ja von einer anderen Welt. Es ist einer Eurer faszinierenden
Weitere Kostenlose Bücher