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Kristall der Macht

Kristall der Macht

Titel: Kristall der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
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er, sich selbst auf den Weg zum Palast zu machen. Er war der Letzte, der Prinz Kavan lebend gesehen hatte. Allein. Es war ein Leichtes, dem Prinzen den Befehl zum Rückzug in die Schuhe zu schieben, auch wenn dieser ihn nicht hatte aussprechen wollen. So konnte Triffin die Ehre seiner Männer und die seine retten, ohne Gefahr zu laufen, den Zorn des Königs auf sich zu ziehen. Aber die Worte wollten gut gewählt sein. Einem Boten wollte er eine so wichtige Mission auf keinen Fall anvertrauen.
    Triffin nickte selbstzufrieden. Sobald die Männer am Ufer ein provisorisches Lager errichtet hatten und die Aufgaben neu verteilt waren, würde er zum König reiten.
     
    *  *  *
    Das Dorf lag am Fuß der Klippe, dort, wo die schroffen Felsen flacher wurden und in den Dschungel mündeten. Es war ein einfaches Dorf mit einfachen Rundhütten, die aus dem errichtet worden waren, was der Dschungel zu bieten hatte. Und wie das Dorf und die Hütten waren auch die Menschen einfach, die dort lebten.
    Die meisten von ihnen waren Fischer, die mit ihren Kanus tagaus, tagein auf das Meer hinausfuhren, um im seichten Wasser der Korallenriffe ihre Netze zu legen oder nach Muscheln zu tauchen. Einige wenige beherrschten ein Handwerk wie Weben oder Töpfern. Zwei von ihnen verstanden sich auf die Kunst des Heilens. Die Menschen auf Nintau waren arm, aber glücklich. Die Natur schenkte ihnen alles, was sie zum Leben benötigten, und obwohl Stürme und Fluten dem Dorf und seinen Bewohnern schon oft hart zugesetzt hatten, so waren sie doch immer wieder zurückgekehrt und hatten einen neuen Anfang gewagt.
    Das Dorf trug keinen Namen; es brauchte keinen, denn es war die einzige Siedlung auf der Insel. Hier lebten die Nachkommen derer, die einst das Grauen überlebt und den Dämon besiegt hatten, und obwohl seit Generationen niemand mehr am Leben war, der den Tag der Zerstörung miterlebt hatte, war die Furcht, dass es eines Tages wieder geschehen könnte, in ihnen tief verwurzelt, denn in ihren Legenden lebte die Erinnerung an den Luantar weiter.
    Es war der Glaube an die Macht der Maor-Say, der die Bewohner der Insel des Nachts ruhig schlafen ließ, kannte sie doch den geheimen Zauberspruch, der den Dämon aufs Neue zu Stein würde erstarren lassen, wenn der Bann zu brechen drohte. So war es immer gewesen und so hätte es auch in Zukunft sein sollen. Doch an diesem Morgen hatte das Schicksal entschieden, eine neue Seite im Buch des Lebens aufzuschlagen.
    Noelani spürte es, lange bevor sie das Plateau auf der Klippe betrat, von dem aus sie auf das Dorf hinunterblicken konnte. Die Ahnung von Unheil begleitete sie und wurde mit jedem Schritt stärker. Zunächst konnte sie das Gefühl nicht in Worte fassen. Sie spürte nur, dass etwas fehlte. Etwas, für das sie noch keinen Namen hatte, das aber schon immer da gewesen war, so selbstverständlich, dass sie es nicht beachtet hatte.
    Wie oft schon war sie den schmalen Pfad zum Plateau hinuntergegangen, um allein zu sein oder über das Meer zu blicken? Wie oft schon hatte sie ihre Sinne von dort aus der aufgehenden Sonne entgegengeschickt? Aber nie, nicht ein einziges Mal, hatte sie so wie an diesem Morgen empfunden, niemals eine solche Leere gespürt.
    Eine Leere? – Nein!
    Noelani blieb stehen. Das Erste, was ihr auffiel, war der Wind – oder besser der Nicht-Wind. Selbst hier oben auf der Klippe war es so windstill, dass es schon fast unheimlich war. Dann bemerkte sie die Stille, so bedrückend und vollkommen, wie sie nicht einmal die Nacht hervorbringen konnte.
    Noelani lauschte angestrengt. Im Rauschen der Wellen hatte stets das Lied der Muschelmöwen mitgeklungen, die auf den kleinen Inseln des Riffs brüteten. Und Stimmen! Stimmen, die aus dem Dorf heraufschallten, Lachen oder Rufe, vom Wind zu unverständlichen Lauten verzerrt, aber so voller Fröhlichkeit und Leben, dass einem das Herz aufging.
    Jetzt hörte sie nichts.
    Nichts.
    Außer dem leisen Rauschen der Wellen, die sanft über den Strand strichen, waren keine Laute zu hören. Nirgends gab es ein Zeichen von Leben. Eine Stille wie der Tod.
    Noelani erschauderte. Nicht einmal hundert Schritte trennten sie noch vom Plateau. Hundert Schritte, um die Gewissheit zu erlangen, nach der es sie verlangte. Ihr Verstand drängte sie, hinunterzugehen und nachzusehen, aber ihre Beine gehorchten ihr nicht. Zu groß war die Angst vor dem, was sie vorfinden würde, zu unfassbar das mögliche Ausmaß ihres Versagens.
    Kaori …
    Noelani spürte,

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