Kristall der Macht
Angriffe der Rakschun verteidigt und die Wege zu den Erzvorkommen in den Bergen gesichert, bis Marnek eines Tages auf einem Erkundungsritt von den Rakschun gefangen genommen und zu Tode gefoltert worden war.
Nach dem grausamen Mord an dem Thronerben hatte der König den Kampf gegen die Rakschun zu seinem persönlichen Rachefeldzug erklärt und verkünden lassen, dass es von nun an kein Erbarmen geben würde. Für jeden getöteten Rakschun hatte er ein hohes Kopfgeld ausgelobt, das für die zumeist aus armen Verhältnissen stammenden Krieger mehr als verlockend war. Die Jagd auf die Rakschun war dadurch zu einem Wettbewerb geworden, der immer grausamere Blüten getrieben hatte, und lange hatte es so ausgesehen, als könne die Rache des Königs die Feinde tatsächlich einschüchtern.
Aber der Schein trog, und was als Ansporn gedacht war, entwickelte sich schon bald zu einem Verhängnis für Baha-Uddin. In den beiden Jahren, die seit Prinz Marneks Tod vergangen waren, hatten mehr Krieger als jemals zuvor ihr Leben verloren. Immer öfter hatten Gruppen von Kriegern die Festung verlassen, um die Feinde zu überfallen, doch irgendwann hatten die Rakschun das Spiel durchschaut und sich auf die Überfälle vorbereitet. Die Jäger waren zu Gejagten geworden, und kaum einer, der ausgezogen war, die verhassten Feinde zu töten, war heil zurückgekehrt …
General Triffin seufzte, als er an die vielen Männer dachte, die ihr Leben durch die Gier nach dem Gold verloren hatten. Tapfere Krieger, deren Schwerter kaum zu ersetzen waren, weil es in Baha-Uddin kaum noch wehrfähige Männer gab. Wie oft hatte er versucht, den König davon zu überzeugen, dass das Kopfgeld allein den Rakschun zuspielte, weil es die eigenen Männer unvorsichtig machte? Wie oft hatte er ihn angefleht, zu den bewährten Taktiken zurückzukehren? Aber Azenor hatte das alles nicht hören wollen. Statt einzulenken, hatte er ihm mit Prinz Kavan seinen jüngsten Sohn zur Seite gestellt, der nicht nur die Einhaltung der Befehle, sondern, wie General Triffin hinter vorgehaltener Hand erfahren hatte, auch seine eigenen Anweisungen überwachen sollte.
Triffin ballte die Fäuste und schaute zu den schwelenden Ruinen der Festung hinüber, die er mehr als zehn Jahre seine Heimat genannt hatte und die nun für so viele – viel zu viele – zu einem feurigen Grab geworden war.
In den mehr als zwanzig Jahren, die er Baha-Uddin nun gegen die Rakschun verteidigte, hatte er nicht ein einziges Mal gegen die königlichen Befehle aufbegehrt. Selbst dann nicht, wenn diese ihm absonderlich erschienen waren und hohe Verluste unter seinen Männern gefordert hatten.
An diesem Morgen aber hatte er das sinnlose hundertfache Sterben nicht länger mit ansehen und mit seinem Gewissen vereinbaren können. An diesem Morgen, der so vielen Freunden und Gefährten einen grausamen Tod beschert hatte, hatte er zum ersten Mal auf sein Herz gehört. Und hier und jetzt, im Angesicht der zerstörten Brücke, wusste er, dass er richtig gehandelt hatte.
Die Festung war verloren, seiner Heimat aber wurde eine Gnadenfrist zuteil, die genutzt werden konnte, um die am Boden liegende Verteidigung neu aufzustellen. Mehr als fünfhundert Kriegern, die laut Befehl des Königs in der Festung hätten sterben sollen, war die Flucht geglückt; zudem hatte die Sprengung der Brücke den Rakschun empfindliche Verluste zugefügt. Alles in allem war der Rückzug als ein Erfolg zu werten. Ein Erfolg, der sogar den Tod des Prinzen rechtfertigte.
Den Tod des Prinzen …
Hastig schob Triffin den bedrückenden Gedanken beiseite. Er wusste, dass er von nun an mit der Schuld würde leben müssen, den Prinzen getötet zu haben. Niemand hatte gesehen, was zwischen ihnen vorgefallen war, und niemand würde ihn verdächtigen, aber er wusste, dass ihn die Schuld sein Leben lang begleiten würde.
Er hatte das Leben des jungen, unfähigen und zudem schwächlichen Prinzen gegen das von fünfhundert Kriegern getauscht. So betrachtet erschien Kavans Tod nur gerechtfertigt, und Triffin entschied, nicht weiter darüber nachzudenken.
Dennoch. Jemand würde dem König die Nachricht überbringen und ihm von dem Verlust der Festung und der zerstörten Brücke berichten müssen. Für einen Augenblick war Triffin versucht, einen Boten zu schicken, verwarf den Gedanken aber gleich wieder. Es war nicht vorauszusehen, wie König Azenor auf die Nachricht und deren Überbringer reagieren würde. Triffin zögerte kurz, dann entschied
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