Kristall der Macht
so zu den umstehenden Kriegern um, dass sie den Fürsten sehen konnten. »Hier steht der Bezwinger der Rakschun!«, rief er aus und hob beifallheischend den freien Arm.
Augenblicklich brandete Jubel auf. Die Krieger ließen den Fürsten hochleben und stießen wüste Beschimpfungen gegen die Rakschun aus, die ihrer Ansicht nach ein gerechtes Schicksal ereilt hatte.
Triffin sah das Leuchten in Rivanons Augen und spürte Wut in sich aufsteigen. »Vergesst nicht, auch unseren Gästen zu danken«, sagte er laut, als der Jubel abgeklungen war. »Ohne Noelanis Hilfe stünden wir jetzt auf einem Schlachtfeld und würden die Gefallenen betrauern.«
Rivanon wollte etwas antworten, aber der König kam ihm zuvor. Er trat dicht an Triffin heran und zischte: »Sie bekommt, was sie sich für ihre Dienste erbeten hat. Ruhm gehörte nicht dazu.« Laut sagte er: »Und natürlich wollen wir nicht vergessen, unseren Gästen zu danken, die mit ihrem Wirken wesentlich dazu beigetragen haben, dass wir diesen Krieg gewinnen konnten.« Er winkte Noelani und Jamak zu sich, stellte sich zwischen die beiden und legte jedem kameradschaftlich die Hand auf die Schulter.
Triffin entging nicht, wie unwohl Noelani und Jamak sich fühlten, als der Jubel erneut, aber längst nicht so stürmisch wie zuvor aufbrandete. Er rechnete fest damit, dass Noelani die Gelegenheit nutzen und den König vor allen Kriegern öffentlich des Betrugs anklagen würde, weil er die Rakschun entgegen ihrer Abmachung durch eine List hatte versteinern lassen.
Dass sie es nicht tat, überraschte und verwirrte ihn. Wäre er an ihrer Stelle gewesen, hätte er den König zur Rede gestellt. Die beiden aber wechselten nur betroffene Blicke, sagten nichts und schienen froh zu sein, als der König sie wieder aus dem Mittelpunkt der Aufmerksamkeit entließ.
»Und jetzt«, sagte der König gönnerhaft, »lasst uns den Sieg gebührend feiern! Dutzende Fässer aus den königlichen Weinkellern warten auf meine tapferen Krieger …« Kaum hatte er das gesagt, brandete der Jubel so gewaltig auf, dass seine nächsten Worte darin völlig untergingen: »… und ich habe Hunger.«
* * *
Wenig später hatten sich alle an der festlich gedeckten Tafel in dem großen Versammlungszelt eingefunden: König Azenor, die beiden wichtigsten Ratsmitglieder, die ihn auf seiner Reise begleiteten, Fürst Rivanon, General Triffin und eine Handvoll ranghoher Hauptleute sowie Noelani und Jamak, denen als Ehrengäste die Plätze an der Seite des Königs gebührten. Ein Stuhl blieb unbesetzt, was für verwunderte Blicke sorgte. Offenbar vermutete jeder, dass man die Anzahl der Gäste falsch eingeschätzt hatte.
Noelani nahm den freien Platz nur beiläufig wahr, so wie alles, was an der langen Tafel vor sich ging. Während sie die Fragen, die man ihr stellte, höflich beantwortete und sich zwang, etwas von den köstlichen Speisen zu essen, die von den Dienern aufgetischt wurden, war sie in Gedanken mit ganz anderen Dingen beschäftigt. Gleichzeitig versuchte sie zu verbergen, wie aufgeregt sie war.
Als der Bote von General Triffin zu ihr ins Zelt gekommen war, um sie von der Ankunft des Königs und dem bevorstehenden Festmahl zu unterrichten, hatte sie ihr Glück kaum fassen können. Nur wenige Minuten zuvor hatte sie die Geistreise und ihr Gespräch mit Kaori beendet. Niemals hätte sie damit gerechnet, dass sie so schnell Gelegenheit bekommen würde, den Plan, den sie mit ihrer Schwester ersonnen hatte, in die Tat umsetzen zu können.
Die Vorbereitung erforderte zum Glück nicht viel Aufwand. Jamak hatte sie nur so weit in ihre Pläne eingeweiht, wie sie es für nötig hielt. Ohne seine Hilfe würde sie scheitern, so viel war sicher. Aber sie wollte auch nicht riskieren, dass er sie in stundenlangen Gesprächen davon abzuhalten versuchte. Sie wusste, dass er wütend war. Wäre es nach ihm gegangen, hätte sie dem König vor allen Kriegern Vertragsbruch und Verrat vorwerfen müssen, als dieser Fürst Rivanon in aller Öffentlichkeit den Ruhm und die Ehre für den Sieg über die Rakschun hatte zukommen lassen. Dass sie es nicht getan hatte, konnte er ebenso wenig verstehen wie die Tatsache, dass sie die Einladung zu diesem Festessen mit einem freundlichen Lächeln angenommen hatte.
Noelani konnte es ihm nicht verdenken. Für Jamak war der König ein Unmensch, der tatenlos zusah, wie sein Volk litt, dessen Denken und Handeln allein von seinem blinden Hass auf die Rakschun geprägt war und dem
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